«Nichts überstürzen»

Das hat Starkoch Ivo Adam nach seinem Casino-Auszug vor

Rahel Stähli, Riccardo Schmidlin, 1. Dezember 2022, 08:29 Uhr
Ivo Adam (45) verlässt nach sieben Jahren das Casino Bern. Der Direktor des Casinos, welches der Burgergemeinde Bern gehört, will sich auf eigene Projekte konzentrieren – ein eigenes Hotel schwebe ihm vor. Zuerst aber wolle der Seeländer mehr Zeit mit seiner Familie verbringen.
Ivo Adam verlässt das Casino Bern.
© © Casino Bern, ZVG Ivo Adam
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BärnToday: Ivo Adam, Sie verlassen das Casino per sofort – wieso?

Ivo Adam: Das ist ein Usus bei der Burgergemeinde Bern. Auch allgemein ist das in solchen Positionen, wie ich sie innehabe, normal. Es geht darum, dass der Betrieb weiterlaufen kann und dass er mit den neuen Begebenheiten umgehen kann. Die Mitarbeitenden können sich jederzeit bei mir melden, wenn sie Fragen haben. Aber ich habe ein solch tolles Team, die werden das auch ohne mich schaffen.

Wie bleibt Ihnen das Casino in Erinnerung?

Es gibt nichts Schöneres als dieses Haus. Es ist für mich eine sehr prägende, eindrückliche und lehrreiche Zeit gewesen, die ich nicht missen möchte. Es war für mich ein Lebensabschnitt, der ich so ganz klar wollte.

Es ist ein wenig wie im Sport: Wenn man auf etwas hintrainiert und etwas gewinnt, dann muss man irgendwann kürzertreten. Das ist bei mir im Beruflichen jetzt der Fall. Die Reorganisation des Hauses war intensiv, die Corona-Pandemie ebenso. Und die Erwartungen und Bedürfnisse waren herausfordernd. Wir mussten überlegen, wo es mit dem Casino hingehen soll. Und wir mussten aufgrund der pandemiebedingten Situation Leute entlassen.

Hat sich die Gastroszene von Corona erholt?

Man hört immer wieder vom Fachkräftemangel. Alle weinen sich deswegen gegenseitig in den Ärmel. Aber ich habe gelernt, dass vor allem auch der Führungsstil Auswirkungen haben kann auf diesen Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden.

Die Top-Down-Kultur hat sich wahnsinnig relativiert. Das müssen die Chefs merken und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden wahrnehmen. Auch das Casino ist vom Fachkräftemangel betroffen, wir haben aber genug Leute. Jetzt müssen wir sie aber richtig ausbilden und sie wertschätzen. Die Mitarbeitenden sind zufrieden, sie bleiben länger. Sie profitieren, weil wir ihnen eine Ausgangslage bieten, um sich weiterentwickeln zu können. Das ist heutzutage viel wichtiger als der unmittelbare Erfolg eines Führungsstils.

Ihr Führungsstil wurde auch immer wieder kritisiert – haben Sie diesen in den letzten Jahren verändert?

In der Top-Gastronomie auf Zwei-Sterne-Level ist die Top-Down-Mentalität wie eingebrannt. Ich habe die Zeit im Casino und auf Weiterbildungen genutzt, um mir bewusst zu werden, dass es auch anders geht. So haben wir auf den Bottom-Up-Führungsstil umgestellt. Dieser ist viel besser und man kommt weiter. Der Vorteil ist, dass man damit alle Mitarbeitenden im Boot hat und sie so zufrieden sind. Das macht Freude.

Nun endet Ihre Zeit im Casino – was sind Ihre Ziele für die Zukunft?

Eine Work-Life-Balance ist mir wichtig: Ich will meine privaten Bedürfnisse mit meinem Job verbinden können. Ich will, dass meine Frau und mein Sohn glücklich sind. Ich will, dass mein Sohn das Kochen lernen kann, seine Hobbys ausführen kann und ich ihn aufwachsen sehen kann.

Schon immer auf meiner Bucket List stand der Wunsch, ein Hotel zu führen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das irgendeinmal der Fall sein wird. Im Casino kommt der Gast nur zum Essen oder an eine Veranstaltung. Im Hotel spürt man den Gast hingegen 24 Stunden am Tag – das würde mich reizen. Für ein zukünftiges Projekt müsste ich dasselbe Feuer spüren und verliebt sein, wie ich es beim Casino auch gespürt habe. Ich muss mit derselben Leidenschaft in eine neue Herausforderung starten, wie ich das vor sieben Jahre beim Casino bin. Ich habe jetzt die Zeit, mir zu überlegen, was ich für die Zukunft will, so dass ich nichts überstürze.

Quelle: BärnToday
veröffentlicht: 1. Dezember 2022 06:55
aktualisiert: 1. Dezember 2022 08:29
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