Kolumne

Was, wenn nicht Corona wäre...

29.03.2020, 19:12 Uhr
· Online seit 27.03.2020, 19:01 Uhr
Die Geschichte im Jahr 2020 schreibt das Coronavirus, darüber besteht kein Zweifel. Aber es gibt auch einen März 2020 ohne Corona: So könnte er aussehen.
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Die gegenwärtige Situation zwingt uns dazu, hauptsächlich über das Coronavirus zu berichten. Dabei könnte der diesjährige Frühling so abwechslungsreich sein: Sport, Politik, Veranstaltungen, das Klima und vieles andere würde uns beschäftigen. Eine persönliche, nicht-abgeschlossene Liste, worüber PilatusToday in jedem anderen März 2020 berichten würde:

Sport

Quasi sämtliche Sportevents, ob nun Breiten- oder Spitzensport sind abgesagt oder bis auf weiteres verschoben. Dabei hätte der März 2020 zum Zentralschweizer Highlight werden können.

  • Fussball

In der Raiffeisen Super League sind bereits 27 Runden gespielt, neun stehen noch aus. Der FC Luzern hat seinen Aufwärtstrend unter dem neuen Trainer fortgeführt und steht mittlerweile auf dem 4. Zwischenrang. Das schwächelnde Spitzentrio ermöglicht es den Innerschweizern gar vom ganz grossen Coup zu Träumen. Mit der Europa League kann man bereits planen und auch die Champions League ist nicht mehr in weiter Ferne.

Für alle internationalen Fans: Liverpool hat sich mit den zwei Siegen im Derby gegen den FC Everton und gegen Crystal Palace vorzeitig den Premier League Titel gesichert. Damit geht eine 30-jährige Durststrecke zu Ende und Jürgen Klopp macht sich endgültig unsterblich in der Fussball-Metropole.

  • Ski

Was früh im Winter noch eine Zahlenspielerei war, hatte sich, je länger die Saison dauerte, immer deutlicher abgezeichnet: Das Schweizer Ski-Team gewinnt zum ersten Mal seit über 30 Jahren die Nationenwertung. Die Innerschweizer-Ski-Cracks hatten daran massgeblichen Anteil. Corinne Suter, mit ihren Kugeln für die Abfahrts- und die Super-G-Wertung, Wendy Holdener und Michelle Gisin waren die Zugpferde eines starken Frauenteams. Der Nidwaldner Marco Odermatt kam nach seiner Verletzung stärker zurück als zuvor und feierte beim Saisonabschluss in Cortina d’Ampezzo seinen zweiten Weltcupsieg, den ersten im Riesen-Slalom.

  • Schwingen

Die Innerschweizer Schwinger sind nach der starken Leistung am Eidgenössischen in Zug dieses Jahr heiss auf den Saisonbeginn. Wir haben Marcel Bieri, Joel Wicki und Benji von Ah im Training besucht und mit ihnen über die diesjährigen Ziele und Höhepunkte gesprochen. In einem Jahr ohne Eidgenössischem gehören traditionell auch die Bergkranzfeste dazu. Dabei stehen für die Innerschweizer natürlich Rigi, Stoss und Brünig im Zentrum.

Events

Ähnlich wie den Sportevents erging es auch sämtlichen anderen Veranstaltungen: Sie mussten wegen der Corona-Krise abgesagt oder im besten Fall nur verschoben werden. Dabei hätte der März einiges zu bieten.

  • Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975

Die Vernissage zur Ausstellung «Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975» kann als voller Erfolg bezeichnet werden. Über 200 Menschen kamen zur Ausstellungseröffnung ins Historische Museum Luzern, um sich die geschichtsträchtigen Fotografien anzusehen. Die ausgestellten Fotografien erzählen eindrücklich die baulichen, aber auch die gesellschaftlichen Veränderungen des ehemaligen Luzerns. Es ist ein absoluter Schatz. Die Ausstellung kann bis Ende August besucht werden und ist für jeden Foto-Fan ein Muss. Ein besonderes Highlight ist sicherlich das Podium «Fotografie: unbeachtete Kunst oder erhaltenswertes Kulturgut?» über die Erhaltung und Aufarbeitung von Fotografie.

  • Honky Tonk

Heute in einer Woche findet wieder das Honky Tonk in Luzern statt. Es wird getanzt, geswingt und gesungen. 45 Bands, 35 Lokale und dafür wird nur 1 Ticket gebraucht. Auch dieses Jahr sind  einige Hochkaräter, viel Lokales und Musik für jeden Geschmack mit dabei. Ob Pop, Blues, Rock, Disco oder Electro – alles ist zu haben. Hier mein ganz persönlicher Ausgang: Ich starte gemütlich in den Abend auf der MS Saphir mit «Generell 80» um 19 Uhr. Danach geh ich weiter ins Luz Seebistro mit «The Cracker Jacks». Um 21 Uhr hab ich eine Verabredung mit «The 69ers» in Tschuppi’s Wonderbar, obwohl der Wechsel etwas sportlich werden dürfte. Anschliessend folgt im Bistro Krienbrüggli in meinen Augen ein Highlight mit «Deadbeatz». Den Abend lass ich auf der anderen Fluss-/Seeseite zuerst im Hotel Schweizerhof und danach im Montana ausklingen. Ich wünsche allen einen gelungenen Abend.

  • Stanser Musiktage

Die Jubiläumsausgabe der Stanser Musiktage findet dieses Jahr vom 21. bis 26. April statt. Das Festival startete 1994 als «Jazz am See» in Buochs und zieht mittlerweile über 20‘000 Besucher an. Trotz dem Jubiläum bleibt sich das Musikfest treu und wagt keine Experimente. «Bei vielen Festivals passiert es, dass sie sich mit Jubiläen komplett übernehmen», sagte die Co-Festivalleiterin Esther Unternährer in einem Interview mit der Luzerner Zeitung. Dies möchte Stans verhindern, wohl auch mit den Gedanken noch bei 2015, als das Festival kurz vor dem Aus stand. Die finanzielle Situation verhinderte damals eine weitere Durchführung, und es musste ein Jahr Pause eingelegt werden. Esther Unternährer betonte denn gegenüber der LZ auch: «Wir freuen uns sehr über das Jubiläum, aber setzen trotzdem auf unseren bewährten Mix.» Dieser Mix sieht dann von Jazz über Blues bis Volksmusik vieles vor und lässt Weltstars auf lokales Musikschaffen treffen. Das ganze Programm der Musiktage findest du hier.

Politik

Eine politisch bedeutsame Corona-Auswirkung war sicherlich die Verschiebung der Abstimmungen, die auf Mitte Mai angesetzt gewesen wären.

  • Abstimmungskampf

Nach den Abstimmungen ist in der Schweiz bekanntlich vor den Abstimmungen. Die SVP fährt in der ganzen Schweiz eine gross angelegte Plakatkampagne, um ihrer Begrenzungsinitiative zum Erfolg zu verhelfen. Die Volksinitiative «Für eine massvolle Zuwanderung» ist durchaus umstritten, würde sie doch für den bilateralen Weg mit der Europäischen Union mit grosser Wahrscheinlichkeit das Ende bedeuten. Dies scheint denn auch für viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ein zu grosses Risiko darzustellen. Wie die jüngsten Umfrageergebnisse zeigen, sind im Moment mehr als 55% gegen das Volksbegehren – und Initiativen verlieren traditionell noch an Zustimmung, je länger ein Abstimmungskampf dauert. Deshalb intensiviert die SVP nun den Abstimmungskampf. Deshalb dachte sich die SVP, sie müsse der Bevölkerung stärker aufzeigen, dass die Annahme der Initiative in ihrem Sinn sei. Es gehe darum, ein Stück Eigenständigkeit zurückzuholen. Gar nichts anfangen mit der Initiative kann die SP: All die Plakate würden nichts nützen. Der Luzerner Bevölkerung sei klar, dass eine Annahme das Ende des bilateralen Weges bedeuten würde. Ein Risiko das niemand eingehen werde.

Welt

Das Coronavirus hält nicht nur die Schweiz in Atem, sondern fast die ganze Welt, weshalb auch die internationalen Meldungen von Corona dominiert werden.

  • Griechenland

An der griechisch-türkischen Grenze und auf den griechischen Inseln ereignen sich menschenunwürdige Szenen. Das humanitäre Europa hat versagt. Keine 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges und keine 30 Jahre nach den Balkankriegen wird an den Grenzen Europas wieder auf flüchtende Menschen geschossen. Menschen, die vor Bürgerkrieg, Zerstörung und Verzweiflung fliehen, die dringend Hilfe benötigen, werden ausgeschlossen und sogar beschossen. Ein Zustand, der von vielen NGOs (und einigen parlamentarischen Gruppen) nicht mehr länger hingenommen wird. Sie sind deshalb mit einem offenen Brief an den Bundesrat getreten und fordern sofortige Hilfsmassnahmen. Neben medizinischen und sanitären Gütern und Verpflegung fordern sie insbesondere auch, dass die Schweiz innerhalb der nächsten sechs Monate mindestens 12‘000 Menschen Asyl gewähren soll und finanzielle Mittel für die Hilfe vor Ort zur Verfügung stellt.

  • Wahlkampf Amerika

Bernie Sanders erklärte in einem Interview mit der «Washington Post», dass er sich aus dem Präsidentschafts-Rennen der Demokraten zurückziehen wird. Die letzten Niederlagen hätten ihm gezeigt, dass er in der gegenwärtigen Situation gegen Joe Biden keine Chance mehr habe. Damit ist eingetreten, was für die meisten Experten seit einiger Zeit klar war, Joe Biden wird als Präsidentschaftskandidat der Demokraten und im Herbst gegen Donald Trump antreten. Etwas überraschender kam die Aufforderung von Sanders an seine Anhängerschaft, sie sollten auf alle Fälle Biden unterstützen. Das einzige und gemeinsame Ziel müsse nun sein, eine zweite Amtszeit von Donald Trump zu verhindern.

Klima

Bekanntlich ein Gewinner der Corona-Krise ist das Klima. Die verringerte Reisetätigkeit, hat bereits positive Auswirkungen auf die Luft- und Wasserqualität, wie beispielsweise in China oder Venedig gesehen werden kann.

  • Klimastreiks

Nachdem die Swiss im März erneut Rekordzahlen präsentierte, haben sich radikale Klimaschützerinnen und Klimaschützer für ein „Die-In“ beim Flughafen Zürich eingefunden. Neben einigen «Fridays for Future»-Mitgliederinnen soll die Aktion vor allem von Mitgliedern der Extinction Rebellion orchestriert worden sein. Insgesamt sollen rund 300 Teilnehmende die Eingangshalle beim Check-In 1, wo sich die Swiss Schalter befinden, blockiert haben. Die Polizei musste Dutzende Personen, die nicht freiwillig abzogen, wegtragen. Gemäss Polizeisprecher sind mindestens 10 Teilnehmer in Untersuchungshaft. Die Luzerner «Fridays for Future»-Vertreter hingegen trafen sich heute zu einer bewilligten Demonstration. Gemäss Veranstalter nahmen an der Kundgebung knapp 300 Personen teil, die sich ebenfalls an den erneuten Rekordzahlen der Swiss störten. Gemäss einer Teilnehmerin könne es doch nicht sein, dass die Swiss jedes Jahr oder gar jeden Monat neue Rekordzahlen präsentiere und sich Null ihrer Verantwortung bewusst sei. Aber es liege nicht nur an den Anbietern, besonders sei auch die Politik gefordert, endlich griffige Massnahmen zu beschliessen. Die Teilnehmerin trug ein Schild mit sich, auf dem stand: «Cool and Clean. Ich fliege nicht.»

Vermischtes

Das Coronavirus betrifft nicht nur Sport, Veranstaltungen und die Politik sondern das Leben von jeder Einzelnen. Im alternativen März 2020 hätten wir ganz andere Probleme.

  • Besetzte Parkplätze

An den ersten nebligen Frühlingswochenenden strömen die Leute in die Höhe, um der alltäglichen Dunkelheit zu entfliehen. Die Parkplätze im Zugerberg und im Langis sind deshalb bereits am frühen Vormittag alle besetzt. Die Spätaufsteher werden deshalb gebeten, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, oder sich weniger frequentierte Berggebiete für ihre verdienten Ausflüge zu suchen.

  • Unfälle

Das gute Wetter der letzten Tage und Wochen hat bereits zu etlichen Verkehrsunfällen geführt. Die Zahl der schweren Zwischenfälle in der Zentralschweiz liegt deutlich über den Werten aus den Vorjahren. Vor allem die Töff- und Velofahrer sind dieses Jahr früher als üblich bereits wieder zahlreich auf den Strassen unterwegs. Es gilt deshalb für alle Verkehrsteilnehmer aufeinander aufzupassen und nicht rücksichtslos zu fahren. Das kommende sonnige Wochenende wird die Zweiräder wiederum in Scharen auf die Strassen ziehen. Deswegen wandten sich die Zentralschweizer Polizeikorps an die Bevölkerung mit der Bitte, Rücksicht aufeinander zu nehmen. Es hätte genügend Platz für alle Teilnehmer auf der Strasse.

Nachteile vom anderen März

Was wir im alternativen März 2020 alles (noch) nicht wissen: Systemrelevanten Jobs wird noch immer kaum Beachtung geschenkt. Unternehmen behaupten nach wie vor, Homeoffice sei nicht in jedem Job möglich. Und manche Leute glauben tatsächlich noch die Mär, dass Kinderbetreuung, Hausarbeit und Homeoffice locker vereinbar seien. Ach, wie naiv sie waren.

veröffentlicht: 27. März 2020 19:01
aktualisiert: 29. März 2020 19:12
Quelle: PilatusToday

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