Doomscrolling

Wenn man im Sumpf aus Negativität versinkt

24.02.2021, 16:29 Uhr
· Online seit 24.02.2021, 12:50 Uhr
Terroranschlag, Klick. Coronazahlen explodieren, Klick. Autounfall mit mehreren Schwerverletzten, Klick. Warum berichten die Medien nur über negative Ereignisse? Und wenn es mich nervt, warum lese ich sie?
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Wohl zwei der häufigsten Fragestellungen im Bezug auf den Medienkonsum – vor allem seit der Corona-Pandemie. Tägliche Ansteckungszahlen und Todesfälle, die einem gefühlt überall ins Auge springen, lassen die Welt dunkel erscheinen und obwohl es uns nervt, konsumieren wir fleissig weiter. Kein neues Phänomen, doch ein leicht erklärtes.

Früher zum Überleben, heute zum Verzweifeln

Der Vorwurf, dass in den Medien nur schlechte News verbreiteten werden, ist nicht unberechtigt, doch hat es seine Gründe: «Es ist leichter mit negativer Berichterstattung Klicks zu generieren», erklärt Medienpsychologe Stefan Caduff von SAPIA. Menschen würden dazu tendieren, sich schlechte Nachrichten anzuschauen. Fruchtbarer Boden für Sensationsjournalismus, denn schlussendlich gelten vor allem bei den Online-Medien die Klickzahlen als Indikator dafür, was gut läuft. Doch warum konsumieren wir lieber «Bad News»?

Dieses Verhalten habe seinen Ursprung bei unseren Vorfahren, so Stefan Caduff. Zu wissen, wo Gefahren lauern, war für sie Überlebensnotwendig. Auch heute ist dieser Schutzmechanismus noch in unserem Steinzeithirn vorhanden. «Zu wissen, welche schlimmen Dinge um uns passieren, hilft uns darauf vorbereitet zu sein», doch entspräche das nicht mehr der Realität, meint Caduff.

Bewusst konsumieren

Für einen gesunden Medienkonsum, empfiehlt der Medienpsychologe diesen bewusst zu gestalten und Doomscrolling zu vermeiden: «Heutzutage gibt es eine Überdosis an Neuigkeiten, da ist es wichtig auch bewusst auf positive Meldungen zu klicken.» Von denen gäbe es genug, ist Caduff überzeugt. Seiten wie «Goodnews.eu» bringen beispielsweise nur Erfreuliches. Gesamthaft sei es auch so, dass gute Neuigkeiten zu guter Laune führen und schlechte News aufs Gemüt drücken.

Vor allem für Menschen, die sich bereits in einer schlechten psychischen Verfassung befinden, könnte eine Flut von negativer Berichterstattung auf die Psyche schlagen. Caduff weiss aber auch, dass dasselbe bei einer wahrheitsverzerrenden positiven Informationsflut der Fall sein kann: «Hört man immer wie gut es anderen geht, kann das ebenfalls zu einer depressiven Stimmung beitragen.»

Auf Social Media sorgt das Thema schon länger für Gesprächsstoff und auch die «NZZ» kritisierte, wie das ständige Vergleichen mit Influencern, welche häufig nur die positiven Seiten ihrer Leben beleuchten, das Selbstbild von Menschen zerstören kann.

Das Gute hervorheben

In der Verantwortung stehen aber auch die Medien selbst, so Caduff. Man könne versuchen, auf der Titelseite mehr «Good News» zu bringen und positives hervorzuheben.  Ein Punkt, den wir Medienschaffende uns öfters zu Herzen nehmen sollten.

veröffentlicht: 24. Februar 2021 12:50
aktualisiert: 24. Februar 2021 16:29
Quelle: PilatusToday

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