Ukraine-Krieg

Bundesrat: Schutzstatus S aktiviert, Sanktionen verschärft, Energieversorgung geregelt

04.03.2022, 20:10 Uhr
· Online seit 04.03.2022, 14:38 Uhr
Am Freitagnachmittag trat der Bundesrat vor die Medien und informierte über weitere Entscheide im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.

Quelle: TeleZüri

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Weitere Sanktionen gegen Russland

Die Schweizer Sanktionen gegen Russland entsprechen neu jenen, welche die EU beschlossen hat. Das erklärte Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Freitag vor den Bundeshausmedien in Bern. Die Bundesverwaltung habe «in Rekordzeit» die entsprechende Verordnung überarbeitet, so Parmelin. Alle vier Sanktionspakete seien damit rechtsgültig umgesetzt.

Was Güter angeht, die sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke eingesetzt werden können, hob der Wirtschaftsminister das durch das Neutralitätsrecht vorgegebene Gleichbehandlungsgebot hervor: Ist eine militärische Endverwendung geplant, sind auch Ausfuhren in die Ukraine untersagt. Nach Russland dürfen sogenannte Dual-Use-Güter generell nicht mehr exportiert werden.

Verbot von Transaktionen mit der russischen Zentralbank

Zusätzlich werden nach Aussage Parmelins die Vermögenswerte von 122 Personen und einem Unternehmen gesperrt. Unter den Sanktionierten befänden sich enge Vertraue des russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie Oligarchen. Gegen sie würden auch Ein- und Durchreiseverbote verhängt.

Die Sanktionen im Finanzbereich betreffen auch Vermögenswerte in Kryptowährungen. Als strengste Massnahmen im Finanzbereich bezeichnete Parmelin das Verbot von Transaktionen mit der russischen Zentralbank sowie den Ausschluss russischer Banken vom Banken-Kommunikationssystem Swift. Letzterer werde in der Praxis durch Swift in Belgien umgesetzt, sobald die entsprechende EU-Verordnung in Kraft trete.

Schweiz zu stark von Gas- und Stromimport abhängig

Energieministerin Simonetta Sommaruga drängt auch angesichts des Ukraine-Krieges bei der Energieversorgung auf einen Effort bei der Umstellung auf erneuerbare Energien. Der Krieg in der Ukraine zeige, wie abhängig Europa von russischem Gas sei, und wie verwundbar Europa dadurch sei – auch die Schweiz. «Denn die Schweiz hat sich zu stark auf Importe von Öl, Gas, Uran und Strom verlassen», sagte Sommaruga am Freitag vor den Medien. «Wir müssen die Produktion der einheimischen Energien verstärken», mahnte Sommaruga. Das sei zwar schon lange die Strategie der Schweiz, aber umgesetzt habe man das in letzten zehn Jahren zu wenig.

Die Schweiz müsse jetzt viel entschlossener vorwärts machen und wegkommen von fossiler Energie. Denn diese stamme zu 100 Prozent aus Importen – und das in der Schweiz verwendete Gas stamme dabei zur Hälfte aus Russland. Die Schweizer Bevölkerung wolle in diese Richtung gehen.

Umfragen zeigten, dass in den vergangenen zwei Jahren so viele Photovoltaik-Anlagen gebaut worden seien, wie nie zuvor. Die ersten zwei Monate dieses Jahres zeigten, dass die Entwicklung weiter steil nach oben gehe. «Das Tempo ist jetzt entscheidend», sagte Sommaruga. Und alle müssten Hand dazu bieten «und sich zusammenraufen». Der Runde Tisch zur Wasserkraft habe gezeigt, dass das möglich sei.

Am Dienstag hatte Sommaruga am Ministertreffen der Internationalen Energieagentur teilgenommen. Dort sei beschlossen worden, dass die Mitgliedsländer 60 Millionen Fass Öl freigeben, um Preisausschläge zu verhindern. Die Schweiz beteilige sich daran.

Definitiver Entscheid über Status S folgt

Der Bundesrat will nach einer Konsultation voraussichtlich in einer Woche über die Aktivierung des Status S für ukrainische Flüchtlinge entscheiden. Es gehe um die rasche und unbürokratische Aufnahme von Menschen, die das Land wegen des Krieges verliessen, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Der Bundesrat wolle die rasche und unbürokratische Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern ermöglichen, die wegen des Krieges flüchten müssten, sagte Keller-Sutter.

Etwa eine Million Menschen sei bereist aus der Ukraine ausgereist, sagte Keller-Sutter. Wie viele Menschen das Land noch verlassen würden, sei nicht abschätzbar. «Wir gehen davon aus, dass die Zahlen in den nächsten Wochen markant steigen werden.» Der Schutzstatus S sei für Situationen vorgesehen, wie sie in der Ukraine herrschten.

Ganzen Personengruppen könne etwa während eines Krieges vorübergehend Schutz gewährt werden, ohne dass sie ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen müssten. Damit soll auch der Familiennachzug einfacher geregelt werden. Der Bundesrat gehe allerdings davon aus, dass die Menschen in die Heimat zurückreisten, sobald es die Lage erlaube. Sie hätten auch die Möglichkeit, ein Asylgesuch zu stellen.

So viele Geflüchtete innerhalb Europas wie seit Jahrzehnten nicht mehr

Auch eine private Unterbringung der Geflüchteten sei möglich. «Die Solidarität in der Bevölkerung ist gross», sagte Keller-Sutter dazu. Bei der Sozialhilfe seien Menschen mit Status S den vorläufig Aufgenommenen gleichgestellt. Man hoffe, dass diese Menschen rasch eine Erwerbsarbeit aufnehmen könnten. Die Schweiz sei beim Schutzstatus etwa gleichauf unterwegs mit der EU.

Eine derart grosse Verschiebung von Menschen innerhalb Europas habe es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben, sagte Keller-Sutter. Am Freitag entscheidet der Bundesrat dann laut der Justizministerin voraussichtlich definitiv über den Status S.

veröffentlicht: 4. März 2022 14:38
aktualisiert: 4. März 2022 20:10
Quelle: ZüriToday

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