Schweiz

Bundesrat will Strommarkt öffnen und Energiewende forcieren

03.04.2020, 16:28 Uhr
· Online seit 03.04.2020, 15:53 Uhr
Der Bundesrat hält am Ziel fest, den Strommarkt auch für Kleinkunden zu öffnen. Weil das die dezentrale Produktion stärkt, sollen Förderbeiträge für erneuerbare Energien verlängert und wettbewerblicher werden.
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Damit erhält die Strombranche die «nötige Planungs- und Investitionssicherheit», wie der Bundesrat in einer Mitteilung schreibt. Zugleich werde die Versorgungssicherheit der Schweiz gestärkt. Die dazu nötigen Änderungsvorschläge am Energiegesetz hat der Bundesrat am Freitag in die Vernehmlassung geschickt.

Die für eine vollständige Liberalisierungs des Strommarktes nötigen Anpassungen am Stromversorgungsgesetz wiederum muss das Departement von Energieministerin Simonetta Sommaruga bis Anfang kommenden Jahres ausarbeiten.

Die Sache mit den verschiedenen Mehrheiten

In der Vernehmlassung hatte sich eine deutliche Mehrheit der Parteien und Verbände für die volle Marktöffnung ausgesprochen. Gleichzeitig forderte eine Mehrheit aber auch mehr Investitionsanreize für einheimische erneuerbare Energien. Darum entschied der Bundesrat bereits letztes Jahr, die Verknüpfung der Strommarktöffnung und die Förderung der Erneuerbaren näher zu prüfen.

Übersicht der wichtigsten vom Bundesrat vorgesehenen Änderungen:

  • Auch Haushalte und Kleinbetriebe bis 100'000 Kilowattstunden Stromverbrauch sollen ihren Lieferanten künftig frei wählen und auch wieder zum Grundversorger zurückkehren können.
  • In der Grundversorgung wird nur noch Schweizer Strom aus erneuerbaren Energien angeboten – in der Vernehmlassung vor gut einem Jahr war noch ein Mix vorgesehen.
  • Damit dieser Strom auch vorhanden sein wird, sollen die bisher für 2035 vorgesehenen Richtwerte für den Ausbau der Wasserkraft und der Erneuerbaren zu verbindlichen Zielen erklärt werden. Zur Zeit befristete Investitionsbeiträge für Photovoltaik, Biomasse und Wasserkraft sollen verlängert werden.
  • Zudem schlägt der Bundesrat vor, dass neu auch Wind-, Kleinwasser-, Biogas- und Geothermiekraftwerke Investitionsbeiträge beantragen können. Dafür entfallen die Einspeisevergütungen. – Insgesamt rechnet der Bundesrat mit 215 Millionen Franken zusätzlichen Fördergeldern pro Jahr. Diese sollen aus dem bereits bestehenden Netzzuschlag finanziert werden sollen.
  • Diese stärkere Integration der Erneuerbaren werde die Stromproduktion dezentralisieren und damit Quartierstrom-Märkte oder Energiegemeinschaften ermöglichen.
  • Zur Absicherung gegen ausserordentliche Extremsituationen soll mittels Ausschreibung eine Speicherreserve geschaffen werden. Dafür aufkommen sollen die Nutzer der Stromnetze.
  • Zudem will der Bundesrat die Transparenz im Strommarkt erhöhen und die Rechte der Konsumenten stärken.

Über die Liberalisierung des Strommarkts wird in der Schweiz seit Jahrzehnten gestritten. Der letzte Urnenentscheid dazu stammt jedoch bereits aus dem Jahr 2002. Damals versenkte das Stimmvolk eine vollständige Öffnung in einer Referendumsabstimmung. Allerdings war die Linke damals – wie auch Teile der Bürgerlichen – gespalten.

So engagierte sich etwa die heutige Bundesrätin Simonetta Sommaruga als Nationalrätin und Konsumentenschützerin vergeblich für ein Ja. Doch auch aus dem zweiten Anlauf für eine vollständige Liberalisierung wurde nichts: Wegen Kritik verschob der Bundesrat die ursprünglich für 2014 geplante Öffnung des Strommarkts. Der Widerstand von Links wie Rechts war zu gross. Und auch die Strombranche selbst war gespalten.

Auch Brüssel macht seit Jahren Druck

So können seit 2009 noch immer nur Grossverbraucher den Anbieter selber wählen und damit von günstigen Tarifen profitieren. Das ist besonders der EU ein Dorn im Auge. Sie pocht seit Jahren auf die Gleichbehandlung aller Kunden und damit auf eine vollständige Öffnung des Schweizer Strommarkts. Nur dann will Brüssel mit Bern ein Stromabkommen abschliessen, welches der Schweiz den Zugang zum europäischen Strommarkt ermöglicht. Verhandelt darüber wird zwar bereits seit 2007. Allerdings liegen die Gespräche dazu derzeit wegen dem blockierten Rahmenvertrag auf Eis. (sat)

veröffentlicht: 3. April 2020 15:53
aktualisiert: 3. April 2020 16:28
Quelle: CH Media

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