Klima-Aktion

Die Polizei trägt die letzten Aktivisten weg

23.09.2020, 10:02 Uhr
· Online seit 22.09.2020, 21:05 Uhr
Die Besetzung des Bundesplatzes durch Klima-Aktivisten ist nach 48 Stunden zu Ende gegangen. Die Berner Polizei räumte in der Nacht auf Mittwoch den Platz vor dem Bundeshaus.

Quelle: CH Media Video Unit / TeleBärn

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Quelle: Keystone-SDA

Sie führte eine unbekannte Zahl Aktivisten ab und nahm ihre Personalien auf. Die Betroffenen müssen mit einer Anzeige rechnen. Etwa drei Dutzend Personen hatten den Platz zuvor freiwillig verlassen.

Die Räumung war am Mittwochmorgen noch nicht ganz abgeschlossen. Sie sei bislang «ruhig und friedlich» verlaufen, sagte Polizeisprecher Christoph Gnägi an einem Point de Presse vor Ort. Verletzt wurde nach seinen Informationen niemand.

Auch die Klima-Aktivisten hatten keine Kenntnis von Verletzten. Sie kritisierten aber den Entscheid der Berner Stadtregierung, den Platz räumen zu lassen. «Hier wurde dringend notwendiger und legitimer Protest aus dem Weg geräumt, weil die Mächtigen unsere Botschaft nicht gern gehört haben», sagte Frida Kohlmann von Collective Climate Justice der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Druck auf die Politik

Die Klimabewegung hatte die Behörden in der Nacht auf Montag überrumpelt, als mehrere hundert Aktivisten auf dem Bundesplatz innert kurzer Zeit ein Protestcamp aufgebaut hatten. Sie wollten damit Druck auf die Politik machen, mehr fürs Klima zu tun. Doch die eidgenössischen Räte pochten auf das seit 1925 geltende Demonstrationsverbot, das während Sessionen vor dem Bundeshaus gilt.

Die Stadtberner Regierung bot den Aktivisten mehrmals andere Standorte für ihr Camp an, was die Klimabewegung ablehnte. Sie liess am Dienstagabend ein letztes Ultimatum der Stadt für den freiwilligen Abzug vom Bundesplatz verstreichen. Darauf beauftragte die Stadt die Polizei mit der Räumung.

Sitzblockaden aufgelöst

Am Mittwoch um 2 Uhr früh rückte die Polizei mit einem Grossaufgebot an und riegelte den Bundesplatz ab. Etwas später erfolgte ein Aufruf an die über hundert verbliebenen Aktivisten, den Platz freiwillig zu verlassen. Etwa drei Dutzend junge Frauen und Männer kamen der Aufforderung nach. Sie konnten nach Aufnahme der Personalien abziehen.

Um 3.30 Uhr begann die polizeiliche Räumung. Die Sitzblockaden wurden nach und nach aufgelöst. Die Aktivisten leisteten nur passiven Widerstand - sie liessen sich von der Polizei wegtragen. Einige hatten sich an Gegenständen gekettet. Sie wurden von der Feuerwehr mit Schneidgerät von ihren Fesseln befreit.

«Klimaschützen ist kein Verbrechen»

Die Atmosphäre vor Ort blieb - von ganz wenigen gehässigen Tönen abgesehen - friedlich, wie Reporter von Keystone-SDA vor Ort berichteten. Die Aktivisten sangen unentwegt Lieder und skandierten Parolen wie «Klimaschützen ist kein Verbrechen».

Parallel zu den Wegweisungen begann die Polizei mit dem Abbau der Infrastruktur, indem sie die Zelte abbrachen und Material beiseite schaffte. Der Einsatz war am frühen Morgen noch im Gang.

Gegen vier Uhr begann die Polizei damit, die Sitzblockanden aufzulösen und die Aktivisten wegzuführen. Mehrere Dutzend Personen verliessen den Bundesplatz freiwillig. Rund 100 Aktivisten harrten jedoch aus. Sie leisteten vor allem passiven Widerstand.

Die Atmosphäre war friedlich. Es kam bisher zu keinen Scharmützeln zwischen Polizei und Aktivisten. Während der Räumung sangen die Aktivisten Lieder - wie schon beim Anmarsch der Polizei.

Quelle: Keystone-SDA

Zelte abgebrochen

Parallel zu den Wegweisungen begann die Polizei mit dem Abbau der Infrastruktur. Sie brach die Zelte ab und schaffte weiteres Material weg. Die Polizei kontrollierte die weggewiesenen Aktivisten, nahm deren Personalien auf und liess sie ansonsten unbehelligt.

Vor der Räumung hatten die Aktivisten skandiert «Klimaschützen ist kein Verbrechen. Eine andere Welt ist möglich und wir werden nie aufgeben. Wir bleiben hier», so der Tenor. «Wir fordern Klimagerechtigkeit und eine rasche Reduktion der Treibhausgas-Emissionen auf netto null bis 2030.»

Räumung verläuft friedlich

Die Räumung verläuft auch aus Sicht der Polizei ruhig und friedlich. «Wir haben zweimal eine Durchsage gemacht und den anwesenden Personen die Möglichkeit gegeben, den Platz freiwillig zu verlassen», sagte Christoph Gnägi, Sprecher der Kantonspolizei Bern. Von diesem Angebot hätten einige Dutzend Personen Gebrauch gemacht.

Unter jenen Aktivisten, die sitzen geblieben seien, hätten sich einige an Gegenständen gekettet. Die Feuerwehr sei daran, diese Personen von den Fesseln freizuschneiden, sagte Gnägi.

Die Klima-Aktivisten hatten ursprünglich zum Ziel, bis Ende dieser Woche vor dem Bundeshaus auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Die Stadt Bern hatte intensiv mit ihnen verhandelt und zwei Mal ein Ultimatum gesetzt. Das letzte datierte vom Dienstagabend.

Lob und Kritik

Für den Berner Gemeinderat kam es nicht in Frage, die Besetzung zu verlängern. Unter den gegebenen Umständen sei keine unbehelligte Durchführung der Session im Bundeshaus möglich. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) versuchte vergeblich, die Aktivisten zu stoppen und zur Umkehr zu bewegen.

Während Linke, Grüne und Umweltorganisationen Applaus für die Aktion auf dem Bundesplatz spendeten, übten bürgerliche Politiker scharfe Kritik. Die Aktion sei illegal und ein Skandal. Sie hätten die Berner Behörden aufgefordert, rasch durchzugreifen.

«Rise Up For Change»

Der Bundesplatz ist seit dem frühen Montagmorgen besetzt. Die Aktivisten mehrerer Klima-Organisationen hatten damit eine «Intensivwoche» unter dem Motto «Rise Up For Change» eingeläutet.

In der Nacht zum Dienstag gaben sie einen Teil des Platzes vorübergehend für den Wochenmarkt frei. Allerdings fanden nicht alle Marktfahrer Platz, und manche beklagten deutliche Umsatzeinbussen.

Der Berner Sicherheitsdirektor Nause übte Kritik am Vorgehen der Klimabewegung. Dass sie sich «auf den Weg des zivilen Ungehorsams» begeben habe, sei eine fatale Entscheidung. Darunter leiden werde die Akzeptanz von Klimamassnahmen.

veröffentlicht: 22. September 2020 21:05
aktualisiert: 23. September 2020 10:02
Quelle: sda

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