Beratungsangebote für Jugendliche sollen vom Bund ausgebaut und finanziell besser unterstützt werden. Das fordert die Stiftung Pro Juventute gemeinsam mit sämtlichen Jungparteien. Aufgrund der vielen Krisen – Stichworte Ukrainekrieg, Corona-Pandemie und Energiekrise – habe sich die psychische Gesundheit der Jugendlichen drastisch verschlechtert, mahnt die Stiftung.
Auf dem Bundesplatz in Bern hat sie am Donnerstag deshalb ein überdimensionales Telefon platziert, welches ununterbrochen klingelt, deren Anrufe am anderen Ende der Leitung aber nicht beantwortet werden können. Damit wollen Pro Juventute und die Jungparteien ausdrücken, dass das Sorgentelefon überlastet ist.
#Multikrise: Pro Juventute und sämtliche Jungparteien fordern mehr Unterstützung für Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche. @JusoSchweiz @JungeMitteCH @jevp_ch @jglpCH @Jungfreisinnige @jungegruene_ch @jungesvp Zur Medienmitteilung 👇https://t.co/C8GDTdRawz pic.twitter.com/34po118nj4
— Pro Juventute (@projuventute) November 10, 2022
Wartezeit dauert mehrere Monate
Der Beratungsbedarf am Telefon sei in den letzten zwei Jahren um ganze 34 Prozent gestiegen, begründet Pro-Juventute Direktorin Katja Schönenberger die Ausbauforderung gegenüber CH Media. Der Bedarf sei gross, der Nutzen ebenfalls: «Erstanlaufstellen wie die Nummer 147 können sehr viel bewirken, und sei es bloss die Erste Hilfe bei psychischen Problemen.»
Zudem könnten sie andere Beratungsangebote, die später folgen würden, entlasten, sagt Schönenberger. Denn aktuell dauere es mehrere Monate, bis Jugendliche einen Therapieplatz erhalten, moniert Pro Juventute. Vor der Pandemie betrug die Wartezeit im Schnitt rund sechs Wochen.
«Kann nicht sein, dass Psyche ein Budgetposten ist»
Nebst Corona oder dem Ukraine-Krieg führt Schönenberger auch die drohende Inflation, die Klimakrise oder soziale Ungerechtheiten als Mitgründe für die prekäre Situation an: «Kinder und Jugendliche bekommen dies von allen Altersgruppen am meisten zu spüren», sagt Schönenberger. Die «Multikrise», wie sie es nennt, treffe die Jungen in einer besonders verletzlichen Lebensphase.
Besonders alarmierend sei, dass sich die Anzahl Beratungen wegen Selbstmordgedanken verdoppelt haben. So sei eine finanzielle Unterstützung vonseiten des Staats unumgänglich. Marc Rüdisüli, Präsident der jungen Mitte, sagt: «Es kann nicht sein, dass die Psyche der Jugendlichen irgendein Budgetposten ist. Es muss jetzt wirklich Geld gesprochen und das Angebot bekannter gemacht werden.»
Zwei bürgerliche Jungparteien wollen andere Ansätze
Damit meint Rüdisüli, dass über die Hälfte der Jungen gar nicht wissen würden, wo sie Hilfe holen können. Juso-Präsident Nicola Sigrist fordert deshalb eine Unterstützung auf allen Ebenen: «Grundsätzlich kann man sagen, dass der ganze Bereich der Therapien und psychosozialen Unterstützungen unterfinanziert ist. Es gibt zu wenig Personal und eine hohe Fluktuation.» Deshalb brauche es eine grosse Bandbreite an Massnahmen.
Immer mehr junge Menschen leiden an einer psychischen Erkrankung. Die Politik lässt dabei sie im Stich!
— Nicola Siegrist (@Nicola_Siegrist) November 10, 2022
Heute haben die Jungparteien gemeinsam mit @projuventute gefordert, dass endlich gehandelt wird.
Es braucht mehr Beratungsangebote & mehr Therapieplätze. Jetzt! pic.twitter.com/cIHhdVQZfA
Die junge SVP und die jungen Freisinnigen waren bei der Aktion der Pro Juventute auf dem Bundesplatz nicht dabei. Sie unterstützen das Vorhaben und die Forderungen zwar, haben aber andere Vorstellungen darüber, wie man das Problem lösen könnte.
(Tina Colatrella/mhe)