Bettenabbau und Schliessungen?

Die wichtigen Fragen zu den Spitälern in der Pandemie

15.09.2021, 06:48 Uhr
· Online seit 15.09.2021, 05:48 Uhr
Die Intensivstationen in den Schweizer Spitälern werden weiter von zahlreichen, mehrheitlich von ungeimpften, Covid-19-Patientinnen und -Patienten belegt. Doch wieso stehen aktuell weniger IPS-Betten zur Verfügung und wieso wurden in jüngster Zeit sogar Spitäler geschlossen? Hier gibt es die wichtigsten Antworten.
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Schon seit längerer Zeit sind nicht mehr die bestätigten Corona-Neuinfektion das ausschlaggebende Kriterium für allfällige Corona-Massnahmenverschärfungen, sondern die Zahl der verfügbaren Intensivbetten. Immer wieder, besonders in den sozialen Medien, werden die Behörden kritisiert, dass diese mitten in der Pandemie die Zahl der Betten auf den Intensivpflegestationen (IPS) abgebaut hätten und Spitäler geschlossen werden. Doch stimmt das tatsächlich und was sind die Hintergründe?

Wieso gibt es deutlich weniger IPS-Betten als noch im Frühling 2020?

Es ist tatsächlich so, dass es weniger Intensivbetten in den Spitäler gibt als noch im Frühjahr 2020. Es muss allerdings in Betracht gezogen werden, dass in der ersten Welle viele improvisierte Betten geschaffen wurden. «Wenn diese Betten belegt wären, wäre die Qualität der Behandlungen stark belastet worden. Hätte sich der Bedarf auch weiter erhöht, hätte das Gesundheitssystem dann in die Katastrophenmedizin umstellen müssen», schreibt die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kanton Berns in einem längeren Statement auf Facebook.

Zusätzliche Betten zu schaffen, wäre für die Behörden kein Problem – doch diese wären nicht zertifiziert.

Der Ausbau der Infrastruktur allein ist also nicht die Lösung des Problems.

Wieso wird Personal nicht umgeschult?

Ein weiterer Faktor für die Anzahl Intensivbetten ist der Personalbestand, respektive die verfügbaren Arbeitskräfte. Der Druck auf die Fachkräfte hat in der Pandemie stark zugenommen und zahlreiches Intensivpflegepersonal kehrte dem Beruf den Rücken zu. Zertifizierte IPS-Betten zu schaffen, hängt vor allem vom qualifizierten Personal ab.

Quelle: Tele1

Am meisten fehlt es auf den Intensiv- und Notfallstationen an fachgerecht ausgebildetem Personal: «Diese Leute absolvieren eine achtjährige Ausbildung. Und genau dort laufen sie uns davon», sagt etwa Barbara Dätwyler, Präsidentin des Berufsverbands Pflege Ostschweiz. Die Gründe: Burnouts und Schlafstörungen – weil während der Pandemie oftmals die Ruhepausen fehlen.

Wieso werden in der Krise Spitäler geschlossen?

Es tönt absurd, dass mitten in einer grossen Gesundheitskrise Spitäler geschlossen werden. Unter anderem im Kanton St.Gallen schlossen in diesem Jahr jedoch die Spitäler Rorschach und Flawil. Experten rechnen, dass in den kommenden Jahren über die ganze Schweiz verteilt weitere Spitäler schliessen werden. Doch bei der genauen Betrachtung des St. Galler Beispiels zeigt sich: In der Ostschweiz sind durch die Schliessungen keine Intensivbetten verloren gegangen. Denn die Patientinnen und Patienten, die eine Intensivbehandlung benötigen, wurden bis anhin in St.Gallen, im Kantonspital, betreut.

Wieso ist eine IPS-Auslastung von 75 Prozent alarmierend?

Aktuell beträgt die Auslastung der Intensivstationen, laut den Daten des Bundesamtes für Gesundheit, 76,3 Prozent. Ein Drittel der Intensivbetten wird dabei von Covid-19-Erkrankten besetzt. Im Kanton Luzern beispielsweise beträgt die Intensivbelastung aber über 80 Prozent – knapp 1/3 davon sind Covid-19-Patientinnen und -Patienten. Die Pflege auf der Intensivstation braucht Fachkräfte und besonders bei Covid-Patientinnen und -Patienten viel Zeit. Schon seit längerer Zeit ist klar, dass sich Patientinnen und Patienten, die sich mit Corona angesteckt haben, im Vergleich zu anderen Kranken viel länger auf der Intensivstation befinden.

Auch wenn einige Intensivplätze frei sind, braucht es ein gewisses Minimum an Kapazität. Zum Beispiel bei einem allfälligen Unfall mit mehreren Verletzten stünde man sonst vor einem medizinischen Versorgungsproblem, sagt Philipp Lutz, der Kommunikationsbeauftragte des Kantonsspitals St.Gallen.

(lae)

veröffentlicht: 15. September 2021 05:48
aktualisiert: 15. September 2021 06:48
Quelle: FM1Today

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