Stellensuche

Du gamest täglich vier Stunden? Dann werde Arzt!

· Online seit 05.03.2021, 19:23 Uhr
Du zockst gerne und suchst noch einen Job? Der Stellenvermittler «Manpower» will mit Gaming-Skills die Bewerbungen aufpeppen. Die Idee stösst auf Interesse, aber die Umsetzung ist noch zu rudimentär.
Anzeige

Sag mir, was du zockst und ich sage dir, wer du bist – so das Motto des Stellenvermittlers Manpower. Mit einem neuen Online-Tool sollen Gamer ihre berufsrelevanten Fähigkeiten entdecken und mit dem «Power-Up» die Jobsuche ankurbeln.

Spielen wir es durch: Du wählst deine drei Lieblingsgames, bekennst, wie häufig und lange du sie zockst und schickst das Formular ab. Das Tool spuckt dir aus, welche Gaming-Fähigkeiten du in deinen Lebenslauf packen könntest. Kritisches Denken, Teamfähigkeit oder Überzeugungskraft, alles Skills, womit du beim Arbeitgeber punktest.

Auch erfährst du, welche Berufe super zu dir passen würden. Arzt, Kellner oder doch lieber ein Lohnbuchhalter?

Soft Skills machen den Unterschied

Doch lohnt es sich wirklich mit diesen Fähigkeiten, die in uns schlummern, den Arbeitgeber zu konfrontieren? «Die Fähigkeiten, die beim Gamen trainiert werden, sind vor allem Soft Skills wie Teamwork oder räumliches Vorstellungsvermögen. Soft Skills können oftmals nicht belegt werden, was ein Nachteil bei der Bewerbung ist», verrät uns Larissa Probst, Mediensprecherin bei Manpower. Die Gaming-Fähigkeiten könnten diese Soft Skills nachweisen, was sich positiv auf die Bewerbung auswirke, so Probst. «Es geht auch darum, die ausgeprägten und erkannten Fähigkeiten überhaupt als Person wahrzunehmen.»

Seit der Lancierung vor drei Wochen hätten knapp 1'000 Leute den sogenannten «Skills Translator» verwendet. Probst zieht bisher eine positive Bilanz: «Es besteht ein grosses Interesse darin, Berufseinsteiger und junge Talente zu fördern.»

Computerspiele sind ein Teil der Gesellschaft

Dragica Kahlina ist Dozentin an der Hochschule Luzern Informatik. Sie sieht solche Gaming-Skills im Leben als nützlich. Wenn man Multiplayer-Spiele zockt, lerne man Teamarbeit, teilweise sogar Teamführung, bessere Kommunikation sowie in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Auch sind online gute Englischkenntnisse gefragt, wenn man mit anderen Ländern und Kulturen in Kontakt komme.

«Man lernt bei Wirtschaftssimulationen und Strategiespielen Ressourcenmanagement und langfristiges Denken, in Open-World-Spielen lernt man, sich in fremden Umgebungen zurechtzufinden. Rätsel helfen mentaler Beweglichkeit, Shooter fördern gute Hand-Augen-Koordination», sagt Kahlina.

Heute taucht die Technik in praktisch jedem Beruf auf. Menschen, die Computerspiele spielen, würden sich besser zurechtfinden. Man müsse sich einfach auch beim Gamen weiterentwickeln und nicht «20 Jahre Solitaire auf gleichem Niveau spielen», das bringe laut Kahlina nicht viel im Berufsleben. «Nur wenn man sich auch in den Spielen stetig fordert und verbessert und diese Erfahrungen auch ins reale Leben übersetzten kann, ergibt sich daraus ein Plus fürs Berufsleben.»

Bewerbungsbooster oder doch nur ein Hobby?

Digitec Galaxus ist aus der Gaming-Passion dreier Freunde herausgeschält und hat sich zum Online-Giganten «aufgelevelt». Die Migros-Tochter hat den Test ausprobiert und findet die Idee witzig, doch: «Die Empfehlung der Berufsfamilien finden wir sehr allgemein und daher nicht besonders hilfreich», sagt Mediensprecher Alex Hämmerli gegenüber PilatusToday.

Manche Bewerber geben Gamen im Lebenslauf als Hobby an, aber das habe keinen massgeblichen Einfluss auf den Bewerbungsprozess, so Hämmerli. «Gaming ist ein Hobby wie Skifahren, Kochen oder Yoga. Wer Hobbys allgemeingültig mit Fähigkeiten verbindet, verzerrt damit die Beurteilung.» Wer zocke, müsse nicht unbedingt flinke Hände haben oder strategisch denken können, sagt Hämmerli.

Interesse im Bereich der IT

In der IT-Branche findet das Tool mehr Anhänger. Solche Skills stuft David Tassi, Geschäftsführer von ICT Berufsbildung Zentralschweiz, als sehr gefragt an in der heutigen Berufswelt sowie in der Selektion künftiger Mitarbeiter. «Ich begrüsse solche Online-Applikationen, die spielerisch gezielt Eigenschaften oder Vorkenntnisse des Anwenders abfragen – entweder als Self-Assessment zur Einschätzung der eigenen Fähigkeiten oder um eine grobe Vorselektion geeigneter Kandidaten durchzuführen», sagt Tassi.

Tool mit guten Ansätzen – aber noch Luft nach oben

Der Selbsttest zeigt, das Online-Tool ist ein tolles Instrument, das aber unbedingt noch ausgebaut werden muss. Es geht schnell, doch genau das hinterlässt auch ein mulmiges Gefühl im Magen. Das Resultat könnte zufällig generiert sein – so wirkt es. In einem anderen Leben wäre ich wohl Arzt oder Kellner geworden, was ich mir nicht so ganz vorstellen kann. Doch die Skills, die das Programm herausliest, passen tatsächlich gut zum gewählten Spiel. Wenn Manpower das Quiz erweitern kann mit spezifischeren Fragen, könnte der Algorithmus auch verbessert werden.

Gamification bereits Alltag

Eine Frage bleibt: Was, wenn der Arbeitgeber nichts mit Gaming-Skills anfangen kann? Weil Talente knapp seien, müssten Arbeitgeber neue Wege gehen, um Mitarbeiter zu finden, sagt Probst von Manpower. «Dazu gehört auch, dass Arbeitgeber offen sind für alternative Arbeitserfahrungen und Fähigkeiten.»

Ähnlich sieht es auch David Tassi: «Problem bei Neuem besteht immer, aber man muss Mut haben und sich mit solchen neuen Tools und die daraus resultierenden Fähigkeiten auseinandersetzen.» Gamification werde bereits im Alltag angewendet.

Hier geht es zum Online-Tool. Was hältst du von der Idee und wie sind deine Erfahrungen damit?

veröffentlicht: 5. März 2021 19:23
aktualisiert: 5. März 2021 19:23
Quelle: PilatusToday

Anzeige
Anzeige
redaktion@pilatustoday.ch