Personalnot im Detailhandel

«Es ist schwierig, Lernende zu finden»

· Online seit 05.01.2023, 13:23 Uhr
Der Detailhandel kämpft mit grossem Personalmangel. Warum die Branche zu wenig attraktiv ist und was dagegen gemacht werden muss, schätzt Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation, ein.
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Der Detailhandel kämpft um die Jungen. In der Branche fehlen Fachkräfte, die Arbeitsbedingungen sind zu unbefriedigend. Die Situation spitzt sich zu, so dass an der Fleischtheke die Metzger fehlen und kürzere Öffnungszeiten zum Thema werden. Der Detailhandelsverband Swiss Retail sucht jetzt nach Lösungen, wie Direktorin Dagmar Jenni erklärt.

Frau Jenni, müssen wir mit der Schliessung von Fleischtheken und kürzeren Öffnungszeiten rechnen?
Kurz- und mittelfristig sehe ich das nicht als Lösung des Problems. Das Interesse der Detailhändler ist, die Ladenöffnungszeiten nach wie vor aufrechtzuerhalten. Ich sehe eher den Weg über flexible Arbeitsmodelle. Das bedeutet beispielsweise, dass statt einem Angestellten zwei Angestellte beschäftigt werden, um für Konsumentinnen und Konsumenten während der Ladenöffnungszeiten da zu sein.

Ist der Detailhandel als Branche stärker betroffen vom Fachkräftemangel?
In unserer Branche sind wir stark betroffen, ja, über alle Berufsgattungen hinweg. Es ist schwierig, Lernende zu finden. Es ist schwierig, Kassenpersonal zu rekrutieren. Aber auch auf fordernden Bereichen, bei welchen digitale Kompetenzen vorausgesetzt werden, und in der Logistik spitzt sich die Situation zu.

Was macht Detailhandel-Berufe weniger attraktiv?
Im Detailhandel gibt es vorgegebene Ladenöffnungszeiten, in vielen Funktionen lässt sich kein Homeoffice einrichten und die Flexibilität im Einsatz ist eingeschränkt. Wir versuchen, mit flexiblen Arbeitsmodellen dem entgegenzuwirken und die Attraktivität des Berufs positiv rüberzubringen. Kundenkontakt, Abwechslung und dass ständig etwas los ist, machen den Beruf schliesslich attraktiv. Diese Vielseitigkeit muss man wieder stärker betonen.

Was wird im Detailhandel vielleicht unterschätzt?
Das Engagement der Lernenden und wie sie sich mit der Unternehmenskultur identifizieren. Das sieht man zu wenig, sollte aber anders sein. Die Lernenden werden häufig unterschätzt.

Was für Massnahmen sollte die Politik treffen?
Flexible Arbeitszeiten sind nach wie vor wichtig sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ebenso Fortschritte in der Digitalisierung. Gerade bei Letzterem wünschen wir uns mehr Support.

Kürzlich musste das Reformhaus schliessen. Besteht die Gefahr, dass es zu mehr Schliessungen im Detailhandel kommt?
Sicher nicht aufgrund der Personalknappheit. Das sehen wir nicht als unmittelbare Gefahr. Die Reformhaus-Schliessung hatte andere Gründe als die Personalknappheit. Sollte es zu Schliessungen kommen, sehe ich das als vereinzelte Fälle von kleineren Geschäften, bei der die Nachfolgeplanung nicht gemacht wurde oder Lernende nicht gefunden wurden. Das werden aber Ausnahmen und kein genereller Trend.

veröffentlicht: 5. Januar 2023 13:23
aktualisiert: 5. Januar 2023 13:23
Quelle: Today-Zentralredaktion

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