«Es wird mehr Mundart geschrieben als jemals zuvor»
Christa Dürscheid*, was sind das für Wörter, die wir neuerdings brauchen?
Es sind Ausdrücke wie ‹Homeoffice›, ‹Lockdown›, ‹Geisterspiel›, ‹Hatespeech› oder ‹Fridays for Future›. Sie bezeichnen neue Sachverhalte, wie sie aktuell zum Beispiel durch die Pandemie oder auch die Klimadebatte entstanden sind. Diese Wörter haben erst jetzt im deutschen Sprachgebrauch eine Bedeutung bekommen.
Stimmt. Man braucht die Wörter oft, hat aber keine Ahnung, wie sie geschrieben werden.
Die Dudenredaktion entscheidet, gestützt auf die Rechtschreibregeln, wie man diese neuen Ausdrücke im Deutschen schreibt. Dazu gehören auch Anglizismen wie ‹liken› oder ‹doodeln›. Oft sieht der Duden aber auch Varianten vor. So kann man beispielsweise ‹Homeoffice› oder ‹Home-Office› schreiben.
Was sagen diese neuen Wörter über uns als Gesellschaft aus?
Der Duden spiegelt aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Er ist also ein Abbild unserer Zeit. Gleichzeitig verschwinden auch Wörter aus unserem Sprachgebrauch, wie etwa die Ausdrücke ‹Kammerjungfer› oder ‹Fernsprechapparat›. Auch das zeigt sich im neuen Duden. Hier findet man solche Wörter nicht mehr oder sie sind als ‹veraltet› gekennzeichnet.
Welches Wort verschwindet wohl als nächstes?
Ich frage mich, wann das Wort ‹Telefonzelle› aus dem Duden verschwindet. Denn wenn wir keine Telefonzellen mehr brauchen, braucht es auch das Wort nicht mehr.
Der Duden steht für die geschriebene Sprache. Was für Tendenzen beobachten Sie, wenn Sie Unterhaltungen betrachten?
Das ist von Sprechergruppe zu Sprechergruppe verschieden. Allerdings beobachte ich eine grundsätzliche Tendenz zur Informalisierung.
Das in der Schweiz vollkommen unauffällige Adjektiv *hässig* ist sicher nicht allen bekannt, seine Bedeutung lässt sich im Kontext aber gut erschließen. Wie würde man anderswo sagen? Muffig, miesepetrig, missgelaunt? Und was sagt man wo? Mehr im Variantenwörterbuch auf S. 317. pic.twitter.com/Jchg656rz2
— Variantengrammatik (@VariantenGra) August 5, 2020
Was heisst das?
Unsere Umgangsformen sind anders geworden, wir wechseln schneller vom ‹Sie› zum ‹Du› und grüssen auch mal jemanden mit einem ‹Hallo›, den wir nicht so gut kennen.
Zeigt sich dieser Trend auch im Geschriebenen?
Ja, und das hängt damit zusammen, dass die Internetkommunikation in unserer Freizeit eine sehr grosse Rolle spielt. Hier wird mehr Mundart geschrieben als je zuvor. Nehmen wir zum Beispiel E-Mails und WhatsApp-Nachrichten: Die meisten WhatsApp-Nachrichten werden gemäss einer Studie der Universität Zürich in Schweizerdeutsch verschickt. Die Mundart hat also auch im Geschriebenen an Bedeutung gewonnen.