Migrostaschen

Exklusiv: «Sexistische» Taschen können gekauft werden

17.06.2020, 09:19 Uhr
· Online seit 16.06.2020, 11:22 Uhr
Die Idee war eigentlich harmlos: Die Migros wollte witzige Tragtaschen, die die Schweizer Bevölkerung während des Lockdowns aufheitern sollen. Doch es kam alles anders.
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Der Auftrag wurde Mitte März an die Künstlerinnen des bekannten Trios Mickry 3 vergeben. Am 25. Mai war es dann soweit: Die fertig produzierten Säcke wurden an die Migros-Filialen ausgeliefert. Anscheinend aber nicht zur Zufriedenheit der Migros: Es folgte eine jähe Kursänderung, die Säcke wurden zurückgezogen und vernichtet. Begründung: Die Motive seien «sexistisch».

Das sagt die Migros

«Die von der Gruppe Mickry 3 im Auftrag gestaltete Tragtasche wurde produziert, ist jedoch nie in den Verkauf gelangt», heisst es von Seiten der Migros-Presseabteilung gegenüber dem «Tagesanzeiger». Das Ziel, das Thema Covid-19 mit einem Augenzwinkern aufzugreifen, sei nicht erfüllt worden. Das Sujet könne als Provokation verstanden werden.

«Es wurde eine Auflage produziert, die für einen rund zweiwöchigen Einsatz reichen sollte.» Gemäss Informationen des «Tagesanzeigers» waren es 120'000 Stück. Die Migros wollte nicht über die Höhe des Budgets Bescheid geben, ebensowenig die Künstlerinnen. Bestätigt wird aber, dass das Honorar bezahlt wurde.

Das sagen die Künstlerinnen

«Wir sind sauer, die Entscheidung der Kulturprozent-Chefin Gabriela Ursprung befremdet uns», sagten Mickry 3 zum «Tages-Anzeiger». Vor allem, weil die Entscheidung anscheinend ohne Einbezug des Ateliers stattfand – und nachdem es zuerst ein «Ok» von Seiten der Migros gab.

«Wenn von Frauen gezeichnete Frauen, welche wohlgemerkt weder aufreizend noch sonst anstössig sind, als sexistisch gelesen werden, weil sie nackt sind und Pizza essen, finden wir das einfach unglaublich. Es zeigt uns, dass wir Frauen immer noch nicht den Platz haben, den wir uns wünschen», schreiben die Künstlerinnen an die Adresse der Migros-Verantwortlichen.

Der «Tages-Anzeiger» fasst die Aussagen der Künstlerinnen folgendermassen zusammen: «Der Zensurfall sei ein klarer Kniefall vor der Empörungsgesellschaft, in der die Vermeidung eines möglichen Reputationsschadens für Konzerne wie die Migros jedes andere, auch noch so vernünftige Argument aus dem Weg räume.»

Jedenfalls konnten die Künstlerinnen gemäss ihrem Insta-Post ein paar der umstrittenen Tüten retten. Diese verkaufen sie nun – inklusive Autogramm – für 50 Franken das Stück an Kunst-Fans.

veröffentlicht: 16. Juni 2020 11:22
aktualisiert: 17. Juni 2020 09:19
Quelle: CH Media

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