Justiz

Freiheitsstrafe zwischen 20 und unter sechs Jahren

17.11.2020, 17:56 Uhr
· Online seit 17.11.2020, 17:45 Uhr
Kaltblütiger Mord oder Tötung im Affekt: Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben am Dienstag in der Gerichtsverhandlung das Tötungsdelikt an einem Ehepaar in Suberg 2017 unterschiedlich eingeordnet.
Anzeige

Die Staatsanwaltschaft plädierte auf Mord und verlangte für den angeklagten Sohn des Ehepaares eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Der heute 27-jährige Sohn sei mit unglaublicher Aggression und Gewalt gegen seine Eltern vorgegangen, betonte die Staatsanwältin. Der Sohn habe ohne ersichtliches Motiv seine Eltern kaltblütig umgebracht.

Zwar kam es in der Familie durchaus zu Reibereien, weil der Sohn arbeitslos und in Geldnöten war. Das alleine ergab für die Staatsanwältin aber kein hinreichendes Motiv für eine solch brutale Tat. Der Angeschuldigte habe die Tat zwar eingestanden, aber immer wieder mit Schutzbehauptungen versucht, seine Schuld herunterzuspielen.

Viel stärker involviert

In dieses Kapitel gehört für die Staatsanwaltschaft auch die Andeutung des Sohnes, dass an jenem Abend Vater und Mutter in Streit geraten seien. Er habe seine Mutter schützen wollen, doch der Vater habe ihn zurückgehalten. Da sei er in Panik geraten und die Lage sei eskaliert.

«Der Sohn war viel stärker in die Tat involviert, als er zugibt», betonte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Sie warf dem Angeklagten ausserdem vor, nach der Tat kaltblütig einen Einbruch vorgetäuscht zu haben. Nach der Tötung duschte der junge Mann und ging dann mit seiner Freundin auswärts essen. Diese sagte vor Gericht, ihr Freund sei an diesem Abend nicht auffällig anders gewesen.

Im Affekt

Ganz anders die Verteidigung. Der Sohn sei bei einem Streit unter den Ehegatten, bei dem die Mutter verletzt wurde, in Panik geraten. Er habe der Mutter, zu der er ein besonders inniges Verhältnis hatte, zu Hilfe eilen wollen, doch der Vater habe sich ihm in den Weg gestellt und ihn zurückgehalten.

Der Sohn sagte vor Gericht zur Tötung «Ich wollte einfach, dass die Situation aufhört». Der junge Mann habe sich in der Eskalation nicht mehr anders zu helfen gewusst, als mit einer gerade greifbaren Kurzhantel dreinzuschlagen, betonte seine Verteidigerin. Für sie war die Tötung der Eltern durch den Sohn weder geplant noch gewollt. Vielmehr habe der Sohn im Affekt die Kontrolle verloren.

Das Nachtatverhalten erklärte die Verteidigung mit einem Verdrängungseffekt beim Angeklagten. Das erkläre auch seine Erinnerungslücken zur Tat und die auch am Gericht offenkundig gewordene Unfähigkeit, das Geschehen in Worte zu fassen.

Die Verteidigerin plädierte auf Totschlag und nicht auf Mord. Für Totschlag, also eine Handlung in einer heftigen, erklärbaren Gemütserregung, ist die Strafe wesentlich milder. Ihr Mandant sei zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten zu verurteilen, so die Forderung der Verteidigung.

Risse im Lack

Der Angeklagte steht seit Montag vor dem Regionalgericht in Biel. Ihm wird vorgeworfen, am 14. November 2017 seine Eltern mit einer Kurzhantel erschlagen zu haben.

Zeugen beschrieben die Mittelstandsfamilie als harmonisch. Eltern und Sohn hätten eine gute Beziehung gehabt. Allerdings wurden auch Risse im Lack der heilen Familienwelt offenbar. Etwa eine abgebrochene Lehre des Sohnes, seine lange Arbeitslosigkeit, die er im Wissen des Vaters vor der Mutter verheimlichte, um sie nicht zu enttäuschen.

Die Mutter soll für ihren Buben alles getan und ihm auch immer wieder Geld zugesteckt haben, wenn er klamm war. Auch der Vater kam für Schulden des Sohnes auf, und war darüber zunehmend missmutig. Er soll dem Sohn gedroht haben, den Geldhahn definitiv zuzudrehen.

Das Regionalgericht Biel wird das erstinstanzliche Urteil am Donnerstagnachmittag bekanntgeben.

veröffentlicht: 17. November 2020 17:45
aktualisiert: 17. November 2020 17:56
Quelle: sda

Anzeige
Anzeige
redaktion@pilatustoday.ch