#vegan vs. #milch

Hier darf auch das Kalb ans Euter

· Online seit 19.06.2021, 06:10 Uhr
Damit eine Kuh optimal Milch gibt, muss sie pro Jahr ein Junges zur Welt bringen. Das Kalb wird in den ersten Stunden nach der Geburt von der Mutter getrennt. Mittlerweile gibt es in der Schweiz aber einige wenige Betriebe, die Kälber-freundlichere Milch verkaufen.
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Ein Kälbli, das sich nach Lust und Laune am Euter der Mutter bedient: Dieses Bild sieht man in der Schweiz selten. Zumindest in der Milchproduktion. Während sich in der Fleischindustrie Produkte aus so genannter Mutterkuh-Haltung längst etabliert haben, funktioniert die Milchindustrie anders: Hier wird das Kalb kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt, damit die Milch vollumfänglich in die Produktion fliessen kann (siehe Kasten).

Muka-Milch: Kälber bleiben mindestens drei Monate bei der Mutter

Für das Kalb und die Kuh ist die Trennung kurz nach der Geburt nicht ohne. Es gibt in der Schweiz deshalb mittlerweile Milchbauern, die nach den Richtlinien von so genannter muttergebundener Kälberaufzucht, kurz «Muka», produzieren. Dabei dürfen die Kälber nach der Geburt mindestens drei Monate bei der Mutter bleiben.

Tierärztin Cornelia Buchli baut hierfür mit Unterstützung der Haldimann-Stiftung eine Fachstelle auf. Sie sieht in dieser Art der Milchproduktion eine grosse Chance: «Die Nachfrage ist grösser als das Angebot», erklärt Buchli. Im Moment wird Muka-Milch nur von etwa einem Dutzend Höfe in der ganzen Schweiz produziert. Sie haben sich teilweise zum Verein Cowpassion zusammengeschlossen und vermarkten ihre Produkte übers Internet.

Bio-Landwirt Stephan Wicki aus Winikon produziert, ähnlich dem Label Muka, schon seit mehreren Jahren intuitiv. Er passte seine Milchproduktion laufend an. So war ihm etwa die Einzelhaltung in den Kälberiglus ein Dorn im Auge und auch das Kälbertränken mit Nuggi fand er mühsam. «Es ist etwas Gutes, wenn das Kalb bei der Mutter trinken kann», sagt Stephan Wicki. Auf seinem Hof dürfen die Kälber rund eine Woche bei der Mutter bleiben. Anschliessend kommen sie in einen Gemeinschaftsstall mit anderen Kälbern, bevor sie nach frühestens drei Wochen den Hof verlassen. «Weibliche Kälber verbleiben zur Nachzucht auf dem Hof und saugen mindestens 120 Tage Milch von verschiedenen Ammenkühen», sagt Wicki. Auch dürfen die Kälber ab Mai auf die Weide.

Anspruchsvoll und teuer

«Muka ist die natürlichste Form der Milchproduktion», sagt Tierärztin Cornelia Buchli. Aber sie sei halt auch anspruchsvoller als die konventionelle Milchproduktion. Zudem sinke der Milchertrag bei einer 12-wöchigen Säugezeit um ca. 22 Prozent.

Mehrheit der Bauern ist kritisch

Das ist einer der Gründe, warum die meisten Bauern der Muka-Produktion kritisch gegenüberstehen. Das bestätigt Pirmin Furrer, Geschäftsführer der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP). Doch auch er findet, dass Muka-Milch ihre Berechtigung hat: «Wir müssen auch schauen, was den Konsumenten interessiert», sagt Furrer. Der Milchertrag sei zwar geringer, wenn das Kalb zuerst ans Euter darf, doch unter dem Strich lohne es sich trotzdem: «Durch die Muttermilch ist das Kalb widerstandsfähiger und braucht weniger oft Medikamente oder den Tierarzt. Die Ausfälle wären wohl geringer.»

Migros und Coop beobachten den Markt

Im Moment führen weder Migros noch Coop Milch aus Muka-Produktion im Sortiment. Dies, weil die Menge solcher Milchprodukte noch zu klein sei. «Der Produktionsprozess wäre äusserst aufwendig, was sich auf den Verkaufspreis auswirken würde», schreibt Coop auf Anfrage von Tele 1 und PilatusToday. Man beobachte die Entwicklung in diesem Produktsegment jedoch. Die Migros gibt an, diesem Kundenanliegen positiv gegenüber zu stehen.

«Beim Label Demeter ist ein entsprechendes Konzept in Ausarbeitung», schreibt die Migros auf Anfrage. Noch bis im letzten Sommer war es wegen einer Verordnung nicht ganz legal, Milch aus muttergebundener Kälberaufzucht zu vermarkten. Diese Verordnung hat der Ständerat aber 2020 angepasst. «War die Trennung früher vor allem aus hygienischen Gründen sinnvoll, begrüsst die Migros den Entscheid im Sinne des Tierwohls. Eine Trennung ist mittlerweile überholt.»

Bio-Landwirt Stephan Wicki kann sich vorstellen, diesen Weg noch konsequenter umzusetzen und nach Muka-Standards zu produzieren. Dafür müssten aber bauliche Massnahmen getroffen werden und es bräuchte einen entsprechenden Erlös aus der Milch. «Uns gibt das eine Zufriedenheit», sagt Stephan Wicki. «Wir geben den Tieren etwas zurück. Für uns stimmt das so.»

veröffentlicht: 19. Juni 2021 06:10
aktualisiert: 19. Juni 2021 06:10
Quelle: PilatusToday

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