«Zusätzliche Belastung»

Homeoffice sollte für Lernende die letzte Lösung sein

10.11.2020, 11:00 Uhr
· Online seit 09.11.2020, 07:36 Uhr
Von der Homeoffice-Empfehlung des Bundesrats sind auch Lernende in der Schweiz betroffen. Die Ausbildung per Fernarbeit stellt die Unternehmen wie auch die Auszubildenden vor neue Herausforderungen.
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«Machen Sie wenn möglich Homeoffice», lautet die Empfehlung des Bundesrats. In vielen Branchen hat diese Weisung keinen Einfluss: Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter, Pflegepersonal oder auch Verkaufspersonal sind nur einige jener, welche trotz Corona ihrer Arbeit vor Ort nachkommen müssen. Die Fernarbeit gilt vor allem für Personal aus dem administrativen Bereich, eine Branche, in der es viele Auszubildende gibt.

Swisscom und Raiffeisen setzen auf Homeoffice für Lernende

So ist beispielsweise bei der Swisscom ein Grossteil der Lernenden im Homeoffice. «Die neue Arbeitsumgebung ist für einige Lernende sicher ungewohnt, dazu ist jedoch die Lernbegleitung in nahem Austausch mit den Lernenden, um sie in dieser anspruchsvollen Situation optimal zu unterstützen», schreibt Sabrina Hubacher, Mediensprecherin der Swisscom, auf Anfrage von FM1Today.

Auch bei Raiffeisen Schweiz sind die Lernenden fast zu 100 Prozent zu Hause, wie Mediensprecherin Angela Rupp sagt. «Die Betreuung muss natürlich gewährleistet sein, damit die Ausbildung nicht leidet. Die Raiffeisen hat dafür verschiedene Onlinegefässe eingeführt.»

«Ausbildung lebt von Beziehungen»

Doch kann eine Ausbildung aus dem Homeoffice überhaupt funktionieren? «Sofern die Voraussetzungen gegeben sind, ja», sagt Nicole Cornu, Fachverantwortliche Grundbildung und Jugendberatung des kaufmännischen Verbands. Aber: «Es wäre natürlich schwierig, wenn man die ganzen drei Jahre einer Ausbildung im Homeoffice verbringen müsste. Die Ausbildung lebt von Beziehungen und einer engen Begleitung.»

Aufgrund der Coronakrise hat der Verband ein Merkblatt erarbeitet, welches sich explizit mit der Handhabung des Homeoffices für Lernende befasst. Auch dort heisst es, dass das Homeoffice für Lernende eine «sinnvolle und in der Regel praktikable Lösung» sei, um den Gesundheitsschutz einerseits und die Weiterführung der Ausbildung andererseits zu gewährleisten.

Herausforderung für leistungsschwache Lernende

Aus ausbildungstechnischer Sicht liege das Hauptproblem im persönlichen Austausch zwischen Lernendem und Ausbildner, sagt Cornu. «Sind beide Parteien im Homeoffice, sieht der Ausbildner nicht, ob der Lernende irgendwo ansteht. Diese visuelle Information fehlt auf die Distanz und die Hemmschwelle der Lernenden ist grösser, bei ihren Vorgesetzten nachzufragen.» Besonders für eher leistungsschwache Lernende berge das Homeoffice somit eine Gefahr.

Auch die heimische Situation könne einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und potenzielle Lerndefizite der Auszubildenden haben. «Vielleicht teilen sie sich ein Zimmer mit ihren Geschwistern oder die Eltern streiten zu Hause. Das alles kann von der Arbeit ablenken», sagt Nicole Cornu. «Ausserdem: Das sind alles junge Menschen, mitten in der Pubertät. Für die Psyche bildet die Situation eine zusätzliche Belastung.»

«Lernen stärker, selbstständig zu arbeiten»

Bei der Raiffeisen seien die Rückmeldungen der Lernenden auf das Homeoffice bisher gut, versichert Angela Rupp. Und auch in der Swisscom werde die Heimarbeit bisher mehrheitlich positiv aufgenommen, sagt Sabrina Hubacher. «Die Lernenden fühlen sich begleitet und unterstützt. Aber natürlich ist es für die Lernenden auch wichtig, den Anschluss an die Kolleginnen und Kollegen im Büro zu haben, das fehlt teilweise in der aktuellen Situation.» Neben allen Herausforderungen könne sich das Homeoffice aber auch positiv auf die Entwicklung der Lernenden auswirken. «Vorteile sind sicher, dass sie noch stärker selbstständiges Arbeiten lernen», sagt Hubacher.

«Möglich, aber nicht ideal»

Für Nicole Cornu vom kaufmännischen Verband ist dennoch klar: «Homeoffice für Lernende ist möglich, aber sicher nicht ideal, um junge Leute beim Einstieg ins Berufsleben zu begleiten. Komplettes Homeoffice sollte die letzte Lösung für die Lernenden sein und muss von den Berufs- und Praxisbildnern eng begleitet werden.»

(red.)

veröffentlicht: 9. November 2020 07:36
aktualisiert: 10. November 2020 11:00
Quelle: PilatusToday

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