Ausstellungen

Huhn, Seife, Essen: Drei Ausstellungen zu vermeintlich Alltäglichem

· Online seit 19.05.2020, 17:20 Uhr
Was hat der Wetterhahn auf dem Kirchturm mit dem Huhn als Lieferantin von Eiern zu tun? Womit wäscht man sich die Hände in Unschuld? Warum halten die einen Insekten für Delikatessen, während sie andere nur widerwärtig finden? - Drei Ausstellungen geben Antworten.
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Eines ist allen drei Ausstellungen gemein: Ob es um das Huhn als unterschätztes Federvieh, Seife oder Essen auf dem Teller geht - ausgehend vom banalen Alltag eines Jeden spannen die Ausstellungen zeitlich und geographisch einen weiten Bogen; sie erzählen Kulturgeschichte und eröffnen neue Perspektiven auf vermeintlich Alltägliches.

«Hühner - unterschätztes Federvieh»

Wer denkt im Angesicht des morgendlichen Frühstückseis schon daran, dass wir Menschen mit den Hühnern eine 8000 Jahre alte Geschichte teilen; oder dass weltweit mit 23 Milliarden Hühnern deren Population die der Menschen um ein Vielfaches übersteigt.

Und: Im Verlauf der langen gemeinsamen Geschichte gelangte das Huhn nicht nur auf die Bauernhöfe und in die Küchen der Welt - es prägte auch Religionen, Wertesysteme und Sprachen. So ist der Hahn auf dem Kirchturm der Erste, den die Sonnenstrahlen des neuen Tages treffen und der damit die Gläubigen an das Gebet gemahnt. Oder: In der christlichen Bibel steht der Verrat an Jesus Christus in Zusammenhang mit dem dritten Hahnenschrei.

Das Museum Allerheiligen in Schaffhausen zeichnet diese Geschichte und derlei Geschichten nach. Dabei geht es auch darum, im Huhn mehr zu sehen als ein billiges Massenprodukt für unsere tägliche Nahrungsaufnahme.

Welt der Seifen: «Saubere Sache»

Ursprünglich war «Saubere Sache» als Hommage an die einstige Seifenfabrik in Lenzburg gedacht; doch mit den Hygienemassnahmen in Zeiten der Covid-19-Pandemie gelangt die Ausstellung zu ungeahnter Aktualität. Regelmässiges Händewaschen ist zur unverzichtbaren Präventionsmassnahme geworden - und damit erhalten das Stück Seife oder der Spender mit Flüssigseife neue Aufmerksamkeit.

Auf einen ganz anderen Aspekt verweist die Ausstellung bereits im Eingang. Im Ambiente einer orientalischen Waschhalle an einem Brunnen, dem «Fontaine des Innocents», wasche man sich die Hände in Unschuld - so die Idee der Ausstellungsmacher.

Ein Symbol der Zerbrechlichkeit und der Unschuld ist die Seifenblase. Auch damit spielen die Ausstellungsmacher, indem sie die Besucher auf einen Rundgang von Seifenblase zu Seifenblase schicken, der rund 5000 Jahre in die Kulturgeschichte der Waschrituale zurückreicht, Industriekultur der Seifenproduktion am Beispiel der Seifenfabrik Lenzburg streift, das Grafikdesign der Verpackungen thematisiert und Chemie sowie Physik integriert. Ironie des Schicksals: Wegen der Pandemie wurde die Vernissage Ende Februar abgesagt; doch am 9. Juni soll für Reinlichkeit und Reinheit die Zeitreise von den Römern bis zur Nano-Technologie erlebbar werden.

«Beurk! Yuck! Igitt!»

Froschschenkel, Schnecken, Austern, Insekten oder Rosenkohl: Für die einen eine Delikatesse, andere ekeln sich davor. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: biologisch, ethisch, religiös oder ökologisch. Das Alimentarium bedient sich wissenschaftlicher und soziologischer Studien, um Antworten zu finden, woher Nahrungsekel kommt, nach dem Motto: «Sag mir, was du nicht isst, und ich sage dir, wer du bist.»

Internetnutzer weltweit haben die Grundlage dazu beigesteuert, was als eklig empfunden wird. Seit letzten Dezember können Internetnutzer auf thefoodwelovetohate.org ihre Abneigungen mitteilen. Daraus entstanden ist eine Weltkarte des Essensekels, die nun in der Ausstellung präsentiert wird.

Zudem lädt das Alimentarium zu Tisch: Ausstellungsbesucher können kosten, was Internetnutzer besonders ablehnen. An einer «Verkostungsbar der anderen Art» variiert das Angebot je nach Jahreszeit; immer gleich ist jedoch, dass ekelerregende Lebensmittel gegessen werden sollen, mit dem Ziel, den Ekel am Unbekannten zu überwinden.

Das Thema Ekel vor Lebensmitteln wird unter verschiedenen Aspekten beleuchtet, wie Moral, Ästhetik oder Nachhaltigkeit. Moralisch sind beispielsweise Nahrungstabus, die religiös oder durch Aberglauben motiviert sind. Um Ästhetik geht es, wenn das Auge mit isst; heute unvorstellbar sind etwa Berge von Aspik, die noch in den 1960er-Jahren in Mode waren.

Und mit Nachhaltigkeit hat das durchaus politische Ziel der Ausstellung zu tun: Ekel, so mag es dem Ausstellungsbesucher dämmern, hat mit kultureller Identität zu tun. Das Alimentarium, eine Institution, die von Nestlé unterstützt wird, will dazu beitragen, diesen Ekel verständlich zu machen, um ihn zu überwinden. «Nur dann können wir anstehende Ernährungsprobleme in Angriff nehmen», heisst es zu Ausstellung. Gemeint ist, dass Nahrungsverschwendung reduziert und, beispielsweise mit Insekten auf dem Teller, die Ernährung nachhaltiger werden soll.

veröffentlicht: 19. Mai 2020 17:20
aktualisiert: 19. Mai 2020 17:20
Quelle: sda

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