«No Nut November»

Keine Pornos, kein Masturbieren: die Enthaltsamkeits-Challenge

22.11.2020, 09:15 Uhr
· Online seit 03.11.2020, 19:26 Uhr
Während manche Männer sich im November einen Schnauz wachsen lassen, um gegen Krebs und Selbstmord zu kämpfen, stellen sich andere Männer einer besonderen Herausforderung: einen Monat Enthaltsamkeit. Was als Meme im Internet begann, hat Verbindungen zur rechten Szene.
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«No Nut November» oder «NoFap November» begann als Scherz im Internet. Einen Monat lang auf jegliche Form der sexuellen Erlösung (Nut = Ejakulation) verzichten. Im November 2017 nahm die Challenge in den sozialen Medien richtig fahrt auf und es entstanden köstliche Memes.

«Noch kein Tag im No Nut November ist vergangen und ich hab auf mein Ding eingeprügelt, als ob es mir Geld schuldet»

«Tag 12 von No Nut November: Ich habe die volle Kontrolle über meine Sinne und habe gelernt zu schweben»

«Die fünf Personen, die No Nut November durchgehalten haben»

Die meisten der vor allem männlichen Teilnehmer haben sich wohl zum Spass an der Enthaltsamkeits-Challenge versucht. Einige von ihnen behaupteten aber, dass der Verzicht auf Pornografie und Masturbation ihr Leben verändert habe. Sie fühlten sich selbstbewusster, sie konnten sich besser konzentrieren und sie hatten mehr Energie. Enthaltsamkeit die Wunderpille? Schaut man auf die Wurzeln der modernen Enthaltsamkeits-Bewegung, dürfte man über die Anekdoten der Männer weniger überrascht sein.

Ursprung liegt in der «NoFap»-Bewegung

Die No Nut November Challenge scheint ihren Ursprung in der sogenannten NoFap-Bewegung zu haben. Einer rasant wachsenden Community von zumeist jungen Männern, die komplett auf Masturbation verzichtet oder es zumindest versucht. Allein auf Reddit tauschen sich über 700'000 «NoFapper» aus. Den Erfahrungsberichten der Abstinenzler zufolge könnte man glauben, der Verzicht auf das «Hand anlegen» bringe einem Superkräfte. Ein User, der von 700 Tagen ohne Masturbation berichtet, erzählt, wie NoFap seine Potenzprobleme gelöst hat. Er habe unter «Death Grip» gelitten, Empfindlichkeitsverlust im Intimbereich, ausgelöst durch zu hartes Anpacken bei der Selbstbefriedigung.

Ein anderer User beschreibt, wie Pornos das Verhältnis mit seiner Freundin ruiniert haben, weil er keine Lust mehr auf «richtigen» Sex hat und das Badezimmer dem Schlafzimmer vorzieht. «Bleibt stark Jungs, wir kämpfen gegen eine Droge, die 24 Stunden kostenfrei zur Verfügung steht. Wenn ich es schaffe, schafft ihr es auch.»

Zwischen den unzähligen Erfahrungsberichten und gegenseitigen Motivationsreden tummeln sich sowohl valide Kritikpunkte an der modernen Selbstverständlichkeit des Porno-Konsums als auch allerlei Bizarres aus der völkischen, rechten Ecke.

Die einen NoFapper verweisen auf die legitime Kritik an der Porno-Industrie (Menschenhandel, Pädophilie, Zwangsprostitution, Revenge Porn) und die Auswirkungen auf ihre Nutzer hin (sexuelle Reizüberflutung, Sucht, Abstumpfung, unrealistische Sex- und Körperideale). Die andere Seite des Enthaltsamkeitsspektrums ist geprägt von konservativen Christen, bis hin zu Vertretern der sogenannten neuen Rechten. Sie sehen in der Tatsache, dass Pornos so frei und kostenlos verfügbar sind, eine Agenda jüdischer Eliten um das Modell der traditionellen Familie zu zerstören.

Der Gründer der Bewegung ist der Amerikaner Alexander Rhodes. Der 31-Jährige spricht offen über seine Pornosucht, die ihn seit seinem elften Lebensjahr begleitete. Bis zu 10 Stunden täglich habe er auf Pornoseiten verbracht. Rhodes distanziert sich öffentlich von jeglichem Extremismus. Mit der NoFap Community wolle er Männer und Frauen mit dem gleichen Schicksal helfen. Zuletzt tauchte sein Name in den Medien auf, als er die Neurowissenschaftlerin Nicole Prause verklagte, weil sie sich kritisch über die Abstinenz-Community geäussert hat und Pornografie im wissenschaftlichen Sinne nicht als Sucht anerkannt hatte.

veröffentlicht: 3. November 2020 19:26
aktualisiert: 22. November 2020 09:15
Quelle: PilatusToday

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