Auch in Zentralschweiz

Mehr Drohungen gegen Politiker seit der Corona-Pandemie

04.12.2020, 13:21 Uhr
· Online seit 04.12.2020, 13:06 Uhr
In der Coronazeit steigen nicht nur die Fallzahlen, sondern auch die Häufigkeit, mit der Politiker bedroht werden. Insbesondere Gesundheitspolitiker stehen seit diesem Frühjahr im Fokus der Öffentlichkeit.
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Sowohl der Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset als auch der Berner Regierungsrat und Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg wurden seit Ausbruch der Pandemie bedroht, das schreibt der «SonntagsBlick» vergangenes Wochenende. Ihre Positionierung in der Öffentlichkeit und die teilweise kontroversen Beschlüsse, die sie zu kommunizieren haben, machen sie zur Zielscheibe von Drohung und Erpressung.

Es gibt Drohungen, sie sind aber selten

Auch in der Zentralschweiz kommt es vor, dass Politikerinnen und Politiker – auch aus dem Gesundheitsbereich – bedroht werden. Jedoch wohl seltener, wie Recherchen von PilatusToday und Tele 1 zeigen.

Obwohl sich nicht alle kontaktierten Stellen und Politiker zum Thema «Drohungen» äussern möchten, scheint es nicht die Quantität zu haben, wie der «SonntagsBlick»-Artikel vermuten lässt. Trotzdem berichten auf Kantonsebene bekannte Zentralschweizer Politikerinnen und Politiker, dass sie in ihrer Funktion bereits an Leib und Leben bedroht wurden – jedoch unabhängig von der Corona-Krise.

Und doch scheint die Pandemie Auswirkungen auf die Zahl der Rückmeldungen zu haben, die Politikerinnen und Politiker erhalten. Ein kantonaler Gesundheitspolitiker antwortet ausführlich: «Als Politiker erhalte ich fast täglich Reaktionen aus der Bevölkerung – teils positiv, teils neutral und teils auch kritisch. Während der aktuellen Corona-Pandemie hat sich die Zahl Zuschriften noch einmal deutlich erhöht.»

Solange die Schreibenden freundlich und sachlich blieben, versuche er grundsätzlich jede Zuschrift zu beantworten. Die Reaktionen aus der Bevölkerung würden ihm zeigen, dass dies geschätzt werde. «Beleidigungen oder persönliche Angriffe ignoriere ich hingegen», so der Politiker weiter. Auch Drohungen gebe es, «sie sind aber selten». Bei Bedarf nehme er mit der Polizei Kontakt auf.

Das scheint gemäss dem «SonntagsBlick»-Artikel aber nicht die Norm zu sein. Denn die Wochenzeitung hat bei allen 246 Bundesparlamentarier nachgefragt, ob sie in ihrer politischen Rolle schon einmal die Erfahrung mit Drohungen oder Erpressungsversuchen gemacht haben.

102 Parlamentsmitglieder gaben Auskunft, das entspricht 40 Prozent der Bundesversammlung. Gemäss deren Angaben wurde mehr als die Hälfte schon einmal bedroht, mit Erpressungsversuchen konfrontiert oder erpresst – aus dem einzigen Grund: Weil sie politisieren. Und nur 31 Prozent, also nur jeder dritte National- oder Ständerat, schaltete daraufhin die Polizei oder die Justiz ein.

Aus anderen Rückmeldungen von Zentralschweizer Politikerinnen und Politiker wird klar, dass auch sie bei massiven Bedrohungen schon auf Anzeigen verzichtet haben.

Frauen sind häufiger Opfer von Drohungen als Männer

Die Umfrage von «SonntagsBlick» zeigt aber auch einen Unterschied bei den Geschlechtern: Politikerinnen sind deutlich häufiger mit Drohungen konfrontiert als ihre männlichen Kollegen in Bern. 66 Prozent der Teilnehmerinnen gaben an, mindestens einmal bedroht oder gar erpresst worden zu sein. Bei den Männern liegt der Prozentsatz 20 Punkte tiefer. Dieser Umstand kann aus den Antworten der Zentralschweizer Politikerinnen und Politiker weder bestätigt noch widerlegt werden.

Auch die Waadtländer FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro musste solche Erfahrungen machen. «Schon in meiner Zeit als Waadtländer Staatsrätin wurde ich regelmässig mit Todesdrohungen und versuchter Nötigung konfrontiert», sagt sie zu «SonntagsBlick».

Drohung und Gewalt gegen Parlamentsmitglieder als Offizialdelikt

Die Freisinnige will nun handeln, der Schutz von exponierten Personen soll verbessert werden. Im Parlament hat sie am Montag einen Vorstoss eingereicht, die Drohungen und Gewalt gegen Parlamentsmitglieder, Bundesräte, Bundesrichter und Staatsanwälte zum Offizialdelikt erklären soll.

Das würde bedeuten, dass Strafverfolger solche Taten – Drohungen und Gewalt – von Amtes wegen ahnden müssten. Bisher tun sie das erst, wenn die betroffene Person aktiv Anzeige erstattet. «Diese Menschen werden ihrer Funktion wegen und nicht als ­Privatpersonen angegriffen», begründet de Quattro den Vorstoss im «SonntagsBlick».

(kra)

veröffentlicht: 4. Dezember 2020 13:06
aktualisiert: 4. Dezember 2020 13:21
Quelle: PilatusToday

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