Terrorverdacht

Messerattacke auf zwei Frauen im Manor Lugano

25.11.2020, 06:26 Uhr
· Online seit 24.11.2020, 22:32 Uhr
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) vermutet hinter der Messerattacke von Lugano einen terroristischen Hintergrund. Das sagte Direktorin Nicoletta della Valle am Dienstagabend an einer Medienkonferenz in Bellinzona.
Gerhard Lob, Bellinzona, und Alice Guldimann
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«Dieser Angriff überrascht mich nicht», sagte Nicoletta della Valle, die der Medienkonferenz per Video zugeschaltet war. Das Fedpol arbeite Hand in Hand mit der Tessiner Kantonspolizei, um den Fall zu untersuchen. «Diese Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.»

Fall erinnert an Fälle in Frankreich und Morges

Della Valle verwies auf den anderen Fall in der Schweiz, der im Moment bezüglich eines mutmasslichen terroristischen Hintergrundes untersucht werde: die Messerattacke von Morges, bei der Mitte September ein 29-jähriger Portugiese erstochen worden war. Der Täter war dem Nachrichtendienst des Bundes bekannt.

Am späten Dienstagabend informierten die Tessiner Behörden über den schockierenden Vorfall. Demnach war die 28-jährige mutmassliche Täterin den Behörden und der Polizei bekannt, offenbar auch schon vorbestraft. In welchem Zusammenhang diese Vordelikte stehen, wurde nicht gesagt.

Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet, in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei Tessin und der Bundespolizei Fedpol, weil Terrorismus-Verdacht besteht, wie die Bundesanwaltschaft in einem Tweet mitteilte:

Am Dienstagabend bestätigte das Bundesamt für Polizei weiter, dass die Täterin polizeibekannt war. Das Fedpol schrieb in einem weiteren Tweet, dass die Täterin bereits aus einer polizeilichen Untersuchung aus dem Jahr 2017 in Bezug auf dschihadistischen Terrorismus bekannt ist.

Was ist im Manor genau geschehen?

Der Vorfall geschah kurz vor 14 Uhr im Manor an der Piazza Dante, wie sowohl die Tessiner Kantonspolizei als auch die Stadtpolizei Lugano meldeten. Die Angreiferin - Schweizerin mit Wohnsitz in Lugano - griff zwei Frauen an.

Gemäss der Mitteilung packte sie die erste Frau mit den Händen am Hals und verletzte die zweite mit einem Messer. Eine der Frauen erlitt gemäss der Polizei schwere, aber nicht lebensbedrohliche Verletzungen, die andere wurde leicht verletzt. Wie das Online-Portal tio.ch schrieb, hatte die Täterin beim Angriff «Allahu Akbar» («Gott ist gross») gerufen. Diese Angaben sind aber noch nicht verifiziert. Der Tessiner Staatsratspräsident Norman Gobbi (Lega) und Kantonspolizeikommandant Matteo Cocchi sagten an der Medienkonferenz, diese Information werde noch untersucht.

Die Angreiferin konnte von Kunden überwältigt und schliesslich von der Polizei verhaftet werden, wie es in der Mitteilung weiter heisst. Die Kantonspolizei schliesse terroristische Motive nicht aus und arbeite eng mit dem Bundesamt für Polizei fedpol, der Polizei der Stadt Lugano und anderen Behörden zusammen.

Sommaruga spricht mit Tessiner Regierung

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga telefonierte mit dem Tessiner Regierungspräsidenten Norman Gobbi, um ihr Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen für die betroffenen Frauen und die Tessiner Bevölkerung und um die Unterstützung des Bundes zuzusichern, wie es auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA hiess.

Gobbi sagte vor den Medien, man gehe davon aus, dass die Frau radikalisiert worden sei. «Die Situation ist von grösstem Ernst», sagte der Vorsteher des Tessiner Justiz- und Polizeidepartements. Falls sich die vom Fedpol geäusserte Vermutung bestätigen lasse, wäre der Kanton Tessin zum ersten Mal mit einem terroristischen Akt konfrontiert. «Wir sind entschlossen, die Sicherheit unserer Bürger zu verteidigen», schloss Gobbi.

Sebastian Kurz reagiert mit einem Tweet

Kein Zweifel daran, dass es sich um einen islamistischen Angriff handelt, hat offenbar Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Er sendete kurz nach 20.30 Uhr einen Tweet, in dem er die «islamistische Terrorattacke in Lugano» verurteilt. Vor drei Wochen wurde in Wien ein islamistischer Anschlag verübt, bei dem vier Personen getötet und 23 weitere teils schwer verletzt worden waren. Kurz schreibt in seinem Lugano-Tweet, seine Gedanken seien bei den Opfern und er stehe «in diesen schwierigen Stunden» an der Seite der Schweiz.

Auch die muslimische Menschenrechtsaktivistin Saïda Keller-Messahli kommentierte das Drama von Lugano. «Die Täterin ist vermutlich eine zum Islam konvertierte und radikalisierte Schweizerin. In den Moscheen wird notabene um die Wette konvertiert...», schreibt die tunesisch-schweizerische Bürgerin.

veröffentlicht: 24. November 2020 22:32
aktualisiert: 25. November 2020 06:26
Quelle: CH Media / sda

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