St.Gallen

Nach Krawallnacht: «Alter, es war so geil»

04.04.2021, 08:14 Uhr
· Online seit 04.04.2021, 07:47 Uhr
Nach der Krawallnacht am Karfreitag ist die Stadt St.Gallen immer noch in Aufruhr. Die Stimmung am Samstagabend ist aufgeladen, viele Jugendliche sind unterwegs. Ein Augenschein auf dem Roten Platz, dort, wo alles angefangen hat.
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Am Samstagabend liegt in der Stadt St.Gallen immer noch eine seltsame Stimmung in der Luft. Es ist nicht wie sonst. Die Bevölkerung, allen voran die Jungen, wirken aufgekratzt. Kein Wunder: Solche Ausschreitungen hat man in der Gallusstadt noch nie gesehen.

Für viele Jugendliche war der Karfreitag wohl einer der aufregendsten Tage ihres Lebens. Die zweite Krawallnacht ist am Tag danach allgegenwärtig. Das zeigt sich schon im 1-er Bus zum Bahnhof: Drei Jungs erzählen sich gegenseitig, wie sie den Abend erlebt haben.

Einer will bis 5 Uhr früh unterwegs gewesen sein. Ein anderer erzählt, wie «dicht» er gewesen sei.

Gute Stimmung auf dem Roten Platz

Auf dem Roten Platz sind auch am Samstagabend Jugendliche anzutreffen. Das ist nichts Ungewöhnliches, doch sie laben sich immer noch am Adrenalinkick des Vorabends. Die meisten haben die Ausschreitungen miterlebt. «Alter, das war so geil», sagt uns eine junge Frau.

Eine andere hofft, dass auch am Samstagabend wieder «etwas passiert», sie geht aber eher nicht davon aus. «Dafür aber morgen», sagt sie und macht eine bedeutende Geste. Andere schliessen sich ihr an. Es sei schön, mal wieder Party machen zu können, auch wenn viele wohl etwas anderes darunter verstehen würden.

Die Gewalt an sich glorifizieren die wenigsten. Sie geben an, einfach nur zugeschaut zu haben. Trotzdem schreckt die Gewalt die Jugendlichen nicht ab. Im Gegenteil. «Es ist einfach spannend. Und ein riesiger Adrenalinkick», sagt eine junge Frau. Dies überwiegt ganz offenbar ihre Ablehnung gegen Gewalt.

Kritik und Lob für die Polizei

Oft kritisieren die Jugendlichen auch die Einsatzkräfte der Polizei. Diese hätten es übertrieben und sie mit ihren Luftschüssen provoziert und angestachelt. Ein junger Mann zeigt uns ein Foto auf seinem Smartphone. Es zeigt, wie Polizisten jemanden überwältigen und festhalten.

«Die Polizei hat mich festgenommen, weil ich eine Sturmhaube anhatte», sagt der junge Mann aus Rorschach. «Sie haben mich wie ein Tier behandelt und meinen Kopf gegen eine Mauer geschlagen.» Er habe den ganzen Abend verpasst, weil er auf dem Polizeiposten war.

Das, obwohl er sich nichts zuschulden habe kommen lassen. Eine junge Frau hält das Vorgehen der Polizei jedoch für richtig. «Was hätten sie denn tun sollen? Sie wurden mit Flaschen beworfen. Ich verstehe den Einsatz der Polizisten».

Polizei, Symbol des Bösen

Die Jugendlichen geniessen die Aufmerksamkeit ganz offensichtlich. Das geben sie auch offen zu – und sie erzählen uns ihre Sicht der Dinge. Das erklärte Feindbild ist die Polizei. Die Jugendlichen ziehen einzelne Episoden heran, wo die Polizei zum Beispiel Unbeteiligte behelligt habe.

Ganz schlüssig ist das nicht immer. Für die Jugendlichen sind die Polizisten gleichbedeutend mit den Corona-Massnahmen, mehr noch, mit der Unterdrückung. Sie setzen die Regeln nicht nur um, sie beschliessen sie auch selbst und dies aus reiner Schikane. So zumindest wirkt es – und die meisten hinterfragen das auch nicht.

«Klar geht es auch darum, mal wieder Leute zu treffen, die Sau rauszulassen», sagt ein weiterer junger Mann. Die Frustration über die Corona-Massnahmen scheint an diesem Abend wie weggeblasen. Es ist eine gewisse Euphorie zu spüren.

Wie geht es weiter? 

«Diese Massnahmen dauern nun schon zwei Jahre, da verstehe ich die Frustration. Auch wenn es sicher bessere Wege gibt», sagt eine Jugendliche. Zwar liegt sie mit der Dauer weit daneben, verwunderlich ist das aber nicht. Es muss den Jugendlichen wie eine Ewigkeit vorkommen.

Und nun haben sie endlich wieder Action. Es ist laut, aufregend, man lernt neue Leute kennen. Viele wollen auf dieser Welle noch weiter reiten. Am Sonntag soll es wieder abgehen, am Samstag wird gechillt. Darüber kann man schreiben, denn die Jugendlichen wissen es sowieso alle über Instagram, Tiktok und so weiter.

Es ist aber auch gefährlich. «Wir wollten am Freitag eigentlich in die Stadt, sind dann aber doch zu Hause geblieben», sagt ein junger Koch,« Mit so etwas wollen wir nichts zu tun haben.»

So geht es den meisten St.Gallern. Viele zeigten sich geschockt und wütend über die Vorgänge in ihrer Stadt. Eine zweite Entgleisung dieser Art ist der Gallusstadt auf keinen Fall zu wünschen.

veröffentlicht: 4. April 2021 07:47
aktualisiert: 4. April 2021 08:14
Quelle: FM1Today

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