«Massenüberwachung»

Polizei späht immer mehr Handys aus

· Online seit 24.06.2022, 10:56 Uhr
Wem gehört welche Handynummer? Wo befindet sich das Mobiltelefon und auf welchen Internetseiten surft der Nutzer? All das findet die Polizei sehr schnell heraus und nutzt diesen Dienst immer mehr. In einigen Kantonen hat sich die Abfrage in den letzten drei Jahren gar verfünffacht.
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Hat man eine Katze oder einen Hund als Haustier, kann man diesen einen Chip zur Identifizierung einsetzen. Sollte das Tier einmal verschwinden und von jemandem gefunden werden, kann mithilfe des Chips festgestellt werden, wer der Halter ist. Der Aufenthaltsort des Tieres kann mit diesem Chip jedoch nicht herausgefunden werden.

Bei uns Menschen sieht das anders aus. Ein Grossteil der Bevölkerung trägt quasi täglich eine solche Apparatur mit sich herum, mit der die Polizei innert Kürze alles über uns herausfinden kann. Auf welchen Seiten wir unsere Kleider kaufen, ob wir Internetpornos konsumieren und wo wir uns aufhalten, oder zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgehalten haben.

Überwachungsanfragen verfünffacht

Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, haben sich die Anfragen der Polizei beim Dienst für Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (ÜPF) in einigen Kantonen in den letzten drei Jahren verfünffacht. Sollte ein Verdächtiger den Polizistinnen oder Polizisten also erzählen, an besagtem Tag zum Beispiel in St. Gallen an einer Party gewesen zu sein, ist es für diese ein Leichtes, mittels Mobilfunkdaten das Gegenteil zu beweisen.

Im letzten Jahr verlangte die Polizei schweizweit um die 300'000 Auskünfte. In Zürich haben sich die Anfragen verdoppelt, in Bern verdreifacht und in Basel Stadt sind die Anfragen um das Fünffache gestiegen.

Daten werden auf Vorrat gespeichert

Wie der Rechtsanwalt Martin Steiger gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärt, könnten auch die gesunkenen Kosten für die Auskünfte eine Erklärung für den Anstieg sein. Früher kosteten einfache Abfragen wie Standortangaben und Telefonnummern 250 Franken.

Mittlerweile ist dieser Dienst für die Polizei kostenfrei. In der Schweiz werden Daten auch auf Vorrat gespeichert und zwar von den Mobilfunkanbietern selber. Telefonnummern, Standortdaten sowie IP-Adressen werden bei den Telekomunternehmen für sechs Monate hinterlegt. An diesem Vorgehen stösst sich Steiger und bezeichnet es als eine Form der Massenüberwachung. Gemäss dem Rechtsanwalt werde auch gespeichert, «wer wann mit wem kommuniziert und wer wann wie auf das Internet zugreift.»

Mitgehangen mitgefangen

Der Grund für die Häufung von Anfragen seien Antennensuchläufe, erklären zuständige Sprecher bei der Berner wie der Schaffhauser Polizei. Mit einem Antennensuchlauf kann zwar der Aufenthaltsort einer gesuchten Person ermittelt werden, Personen die sich aber ebenfalls in der Nähe aufhalten würden infolgedessen automatisch miterfasst.

Heisst das, wenn ich die gesuchte Person vielleicht kenne und mich regelmässig mit ihr treffe, dass ich dann auch ins Visier der Polizei gerate? «Je nach Delikt und Ermittlungsstrategie ist es zielführend, einen Antennensuchlauf zu initiieren. Daraus kann eine grosse Anzahl an zu überprüfenden Telefonnummern resultieren, die abhängig von der Ausgangslage ausgewertet werden», antwortete der Sprecher der Kantonspolizei Zürich. Umfassendere Erklärungen zu Abläufen und Vorgehensweisen werden von den offiziellen Stellen nicht preis gegeben.

(roa)

veröffentlicht: 24. Juni 2022 10:56
aktualisiert: 24. Juni 2022 10:56
Quelle: Today-Zentralredaktion

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