«Sie ist uns auf die Knie gesessen, damit sie besser gestreckt sind»
Angeschrien, gedemütigt und wegen ihres Gewichts schikaniert: Eine neue Recherche deckt Missstände im Schweizer Turnsport auf. Rund 20 Personen haben gegenüber SRF von Vorkommnissen in einem regionalen Leistungszentrum des Schweizer Turnverbands STV erzählt. «Manchmal habe ich mir gewünscht, bei einem Sprung auf den Kopf zu fallen, damit ich wenigstens eine Zeit lang nicht mehr ins Training muss», so etwa eine Athletin.
Bis heute Knieprobleme
Konkret geht es um das Nordwestschweizerische Kunstturn- und Trampolinzentrum NKL in Liestal. Die Cheftrainerin soll Athletinnen und Athleten eingeschüchtert, erniedrigt und misshandelt haben. «Sie hat uns die ganze Zeit runtergemacht: Eine auf der Strasse kann es besser als du. Wir haben gedacht, wir könnten nichts», sagt eine Athletin. Eine andere erzählt: «Sie ist uns auf die Knie gesessen, damit sie besser gestreckt sind. Viele von uns haben bis heute Knieprobleme.»
Der Anwalt der Cheftrainerin schreibt auf Anfrage von SRF: «Die Trainerin weist die gegen sie erhobenen Vorwürfe als ungerechtfertigt zurück und erachtet sie als persönlichkeitsverletzend.»
Swiss Sport Integrity
Die Ethik-Stelle Swiss Sport Integrity untersucht derzeit die Vorwürfe. Der Trainerin hat die Beschwerdestelle untersagt, weiterhin in ihrer Funktion tätig zu sein, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Das gilt einerseits für das NKL, andererseits für alle Clubs und Verbände in der Schweiz.
Swiss Sport Integrity geht von einer hohen Wahrscheinlichkeit aus, dass die Trainerin die psychische und physische Integrität der Athletinnen verletzt hat.
Die Magglingen-Protokolle
Vor zweieinhalb Jahren gab es bereits grosse Aufruhr um Demütigungen und Misshandlungen im Schweizer Turnsport. Der «Tages-Anzeiger» enthüllte Missstände im nationalen Turnzentrum des Schweizer Turnverbands. Athletinnen und Athleten packten aus, wie sie im Kunstturnen und in der Rhythmischen Sportgymnastik gebrochen wurden. Bekannt wurden die Enthüllungen als «Magglingen-Protokolle».
Daraufhin richtete der Bund eine nationale Beschwerdestelle ein – heute Swiss Sport Integrity – und wollte solche missbräuchlichen Trainingsmethoden in Zukunft verhindern.
(hap)