Neue Pille gegen Corona

Vielversprechendes Medikament befeuert die Impfdebatte

03.10.2021, 12:06 Uhr
· Online seit 03.10.2021, 06:35 Uhr
Die Nachrichten über eine neue Corona-Pille, die die Zahl der Spitaleintritte halbieren soll, schlugen in den USA ein wie eine Bombe. Zuerst einmal an der Börse: Dort brachen die Aktien der Impfstoffhersteller regelrecht ein. Viele hoffen, die ungeliebte Impfung sei bald nicht mehr nötig. Nicht so der oberste Gesundheitsdirektor der Schweiz: Lukas Engelberger sieht keine Alternative zur Impfoffensive des Bundes.
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Doch diese Offensive ist in der Schweiz nicht unumstritten, und so kommt durch das Medikament bei Schweizer Politikerinnen und Politiker Hoffnung auf, dass sich das Corona-Regime ändern könnte. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi fordert etwa die Abschaffung der Zertifikatspflicht. Auch Ruth Humbel, Präsidentin der Gesundheitskommission, und Andrea Büchler, Präsidentin der Ethikkommission, sagen, dass man die Zertifikatspflicht überdenken muss, wenn Corona weniger gefährlich wird.

Einer, der die Schweizer Corona-Situation aus der Praxis sehr gut kennt, ist Huldrych Günthard, Leitender Arzt an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Unispital Zürich. Er sagt: «Eine Pille, die 50 Prozent der Spitaleintritte verhindert, ist natürlich super. Darauf haben wir alle gewartet.» Er sieht allerdings auch praktische Probleme bei der Corona-Pille: «Gemäss Merck muss man mit der Behandlung bereits innerhalb von fünf Tagen nach dem Auftreten der ersten Symptome anfangen. Meistens kommen aber die Menschen viel später zu uns ins Spital.»

Trotz der Bedenken: Der Hersteller gibt an, bis Ende Jahr 10 Millionen Portionen herstellen zu können. Die Amerikaner haben sich davon bereits 1,7 Millionen Portionen gesichert. Nun muss das Medikament jedoch zunächst zugelassen werden. Wobei dies gemäss Anthony Fauci, der nach eigenen Angaben vom Medikament begeistert ist, sehr rasch passieren könnte.

Medikament hin oder her: Die Impfoffensive ist notwendig

Zu einem möglichen Wundermittel sagt der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, Lukas Engelberger, gegenüber der «SonntagsZeitung»: «Wenn ein Medikament einfach angewendet werden kann und den Krankheitsverlauf wirklich stoppt, könnte es längerfristig einen wichtigen Beitrag leisten. Vorerst aber haben wir nur die Impfung als einigermassen sicheres Mittel aus der Krise.» Nur weil es ein Medikament «am Horizont» gebe, könnten «wir es uns nicht leisten, nicht mehr mit aller Kraft zu impfen», so der Gesundheitsdirektor.

Lukas Engelberger unterstützt darum auch die Impfoffensive des Bundes zur Eindämmung des Virus. Derzeit läuft dazu die Konsultation der Kantone zu den Vorschlägen des Bundesrates (PilatusToday berichtete). Persönlich ist Engelberger der Meinung, dass die Kantone ihr Engagement zusammen mit dem Bund verstärken sollten. Die Schweiz sei bisher in ihrer Kampagne sehr zurückhaltend und rücksichtsvoll vorgegangen.

Zertifikatspflicht am Arbeitsplatz geht zu weit

Angesichts der Grösse des Problems und der Faktenlage sei es nicht nur legitim, sondern auch notwendig, gemeinsam in die Offensive zu gehen. Wenn die Behörden den Dialog suchten, werde die Bevölkerung verstehen, dass alles für die Impf-Kampagne spreche. Sie sei momentan der einzige Weg aus der Krise.

Die Idee, jemanden für die Vermittlung einer Impfung mit einem Gutschein von 50 Franken zu belohnen, könnte ein Beitrag auf dem Weg aus der Krise sein. Es gehe darum, die Diskussion über die Impfung zu führen. Es dürfe kein Tabu mehr sein, sich für die Impfung einzusetzen, sagte Engelberger weiter.

Ein Zertifikatspflicht am Arbeitsplatz wie in anderen Ländern geht dem obersten Gesundheitsdirektor zu weit. «Im Freizeitbereich finde ich die Zertifikatspflicht sehr berechtigt, weil sie Ansteckungen verhindern kann», sagt Engelberger auf der anderen Seite. Am Arbeitsplatz seien andere Schutzkonzepte oft gleich gut.

(red./sda)

veröffentlicht: 3. Oktober 2021 06:35
aktualisiert: 3. Oktober 2021 12:06
Quelle: sda / PilatusToday

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