Experte erklärt

Was steckt hinter der Impfskepsis der Eltern?

13.07.2021, 06:14 Uhr
· Online seit 06.05.2021, 18:26 Uhr
Im Sommer dürfte die Corona-Impfung auch für Jugendliche zugelassen werden. Dies könnte die Diskussion über die Sicherheit der neuen Impfstoffe und mögliche Nebenwirkungen weiter entfachen. Warum das gar nicht so schlimm ist, erklärt ein Impfskepsis-Forscher.
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Die Diskussion «Impfen: Ja oder Nein» ist spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie im Mainstream angelangt. So leidenschaftlich die Debatte geführt wird, so festgefahren sind die Positionen der Beteiligten. Wir wollen von Philip Tarr, Co-Chefarzt der Medizinischen Universitätsklinik und Leiter der Infektiologie und Spitalhygiene des Kantonsspitals Baselland, wissen, wie sich diese Diskussion entwickeln wird, wenn die Corona-Impfstoffe für Jugendliche und Kinder zugelassen werden.

Seit 2017 forscht Tarr zur Impfskepsis und hat mit seinem Team dazu 1'400 Eltern und 130 Ärztinnen und Ärzte befragt. Rund 30 Prozent der westlichen Bevölkerung zählt zu den Impfskeptikern. «Die Skepsis in Westeuropa ist seit 20 Jahren relativ stabil», so Philip Tarr. Das Thema habe jedoch wegen der Coronapandemie in den Medien sehr viel Gewicht erhalten.

Hälfte der Alternativmediziner sind Impfskeptiker

Unter den von Philip Tarr befragten 130 Ärztinnen und Ärzten fanden sich 86 Schulmediziner und 44 Komplementärmediziner. Unter den Vertretern der Schulmedizin fand sich kein einziger Impfskeptiker, so Tarr. Bei den Komplementärmedizinern waren es rund die Hälfte.

Impfskeptische Eltern gehören zu denen, die den Empfehlungen ihrer Hausärztin nicht immer folgen und lieber eine zweite Meinung einholen. Sie suchen eine Ärztin, die ihre Ansichten teilt – also in diesem Fall auch impfskeptisch ist. Fündig werden skeptische Eltern dabei oft in der Komplementärmedizin. Eltern, die nicht zu den Impfskeptikern zählen, vertrauen ihrer Hausärztin eher und sind auch zufriedener mit ihrer Behandlung, erklärt Philip Tarr.

Zentralschweizer Kantone sind beim Impfen zurückhaltender

Nicht nur bei den Ärztinnen gibt es Unterschiede. Philip Tarr erklärt, dass auch die Kantone sich beim Impfen unterschiedlich stark einschalten. Sind die jungen Menschen keine Kinder mehr, entfallen auch Routinekontrollen beim Kinderarzt. «Gerade im Alter zwischen elf und 14 Jahren macht es Sinn, sich gegen sexuell übertragbare Krankheiten wie Hepatitis B oder HPV zu impfen», erklärt Tarr. Während Kantone wie Zürich, Baselland oder Waadt hier proaktiv in den Schulen auf die Eltern zugehen, halten sich gewisse Zentralschweizer Kantone wie Uri, Obwalden und Schwyz mit Schulimpfprogrammen zurück. «Der Staat hat sich nicht in die Gesundheit einzumischen», so das dortige Motto laut dem Impfexperten.

Riskieren impfskeptische Eltern, dass die Pandemie weiter andauert?

Für Philip Tarr ist jegliche Form von Zwang der falsche Weg, um impfskeptische Eltern von der Corona-Impfung zu überzeugen. Er ist davon überzeugt, dass auch ein skeptischer Teil der Bevölkerung offener für die Corona-Impfung wird, je mehr die bisher sehr guten Erfahrungen mit den Impfungen sich herumsprechen.

Nach rund einem halben Jahr Corona-Impfung sind schwere Nebenwirkungen mit den in der Schweiz zugelassenen Impfstoffen extrem selten. Dies sollte auch einige anfangs skeptische Menschen davon überzeugen, sich impfen zu lassen, ist Philip Tarr überzeugt. «Nach sechs bis sieben Monaten treten kaum noch unbekannte Nebenwirkungen auf. Und vom Impfen ist noch niemand unfruchtbar geworden.»

Wenn der Grossteil der Erwachsenen geimpft wurde, könne man daher im Sommer mit der Impfung von impfwilligen Jugendlichen beginnen. Wenn Eltern sehen, dass auch hier grosse Nebenwirkungen ausbleiben, steige auch das Vertrauen in die geplante Impfung für Kinder.

veröffentlicht: 6. Mai 2021 18:26
aktualisiert: 13. Juli 2021 06:14
Quelle: PilatusToday

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