Luzernerin erzählt

Weshalb das Coronavirus Pflegefachkräfte so stark belastet

09.11.2020, 06:42 Uhr
· Online seit 09.11.2020, 05:50 Uhr
Am Freitag hat es in der Schweiz 231 neue Hospitalisierungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gegeben. Die Intensivstationen sind wieder stark belegt und in Pflegeheimen kommt es zu Infektionen. Eine Luzerner Pflegefachfrau erzählt, weshalb das Coronavirus die Pflegefachkräfte so stark herausfordert.
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In der vergangenen Woche demonstrierte das Gesundheitspersonal in der ganzen Schweiz für bessere Arbeitsbedingungen. Auch in Zug und Luzern gab es Proteste (PilatusToday berichtete). Die Forderungen: Die Ruhe- und Höchstarbeitszeiten sollen im Gegensatz zur ersten Welle eingehalten werden sowie bessere Arbeitsbedingungen, denn im Kampf gegen das Coronavirus stehen sie an vorderster Front.

Enormer zusätzlicher Aufwand

Einen Corona-Patienten zu behandeln, belaste die zum Teil bereits unterbesetzten Spitäler und Pflegeheime, wie uns eine Pflegefachfrau aus Luzern sagt, die anonym bleiben will. Normalerweise einfache Tätigkeiten wie Essen bringen oder die Medikamentenverteilung würden beträchtlich erschwert «Da sich die Erkrankten in Isolation befinden, muss beim Betreten des Zimmers immer Schutzkleidung angezogen werden.» Auch beim Waschen der Kleider, der Reinigung des Zimmers und dem Abwaschen des Geschirrs müsse man die Hygienevorschriften beachten. Dies erfordere einen zusätzlichen Zeitaufwand, unter dem andere Patienten wie auch das Personal selbst leiden würde.

Das bestätigt auch Monika Weder, Leiterin Bildung und Mitglied der Geschäftsleitung des Branchenverbands Curaviva Schweiz: «Das Personal benötigt mehr Zeit aufgrund des höheren Pflegebedarfs bei Infektionen, insbesondere bei an Demenz erkrankten Menschen.» Zudem müsse das Personal auch aufgrund von Mitarbeitenden, die sich in Quarantäne oder Isolation befinden, Mehrarbeit leisten. Wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen erhielten Pflegefachleute nicht die Kompetenzen, welche ihnen aus Sicht von Curaviva zustehen würden, so Weder weiter. Beispielsweise die Kompetenz, selbst Pflegeleistungen anordnen zu können. «Hier besteht dringender Handlungsbedarf, der politische Prozess ist im Gange.»

Fehlende Anerkennung trotz wichtiger Rolle

Pflegefachkräfte haben während der ersten Welle nicht nur Applaus, sondern auch Anerkennung und Dankbarkeit aus der Bevölkerung bekommen, meint Monika Weder. Dies sei eine gute Grundlage, um sich für wichtige Vorstösse auf politischer Ebene Gehör zu verschaffen. Etwa mit dem Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative. Dieser fordert mehr Kompetenz bei der Leistungserbringung durch das Pflegepersonal und eine bessere Abgeltung. Auch die Aus- und Weiterbildung soll damit gefördert werden.

Das Pflegepersonal in Pflegeinstitutionen sei grundsätzlich einem gesellschaftlichen Phänomen ausgesetzt, sagt Monika Weder. Oft befänden sich Menschen in der letzten Lebensetappe: «Das Pflegepersonal setzt sich dafür ein, dass diese Menschen bis zum Schluss ein gehaltvolles Leben mit den notwendigen Pflegeleistungen führen können», so Weder. Da der Umgang mit dem Sterben in der Gesellschaft jedoch tabuisiert sei, werde der wichtigen Rolle der Pflegeheime und des dort arbeitenden Personals mangelnde Anerkennung entgegengebracht.

(red.)

veröffentlicht: 9. November 2020 05:50
aktualisiert: 9. November 2020 06:42
Quelle: PilatusToday

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