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Blick hinter die Kulissen des Spitzensportzentrums in Cham

· Online seit 01.09.2020, 15:05 Uhr
In Cham ist mit «On Your Marks» (OYM) ein Spitzensportzentrum entstanden, das seinesgleichen sucht. Ein Blick hinter die Kulissen.
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Schon von aussen betrachtet ist das Gebäude imposant. Drinnen ist zunächst eine Anmeldung an der Rezeption erforderlich - nur registrierte Personen erhalten Einlass - und wird aufgrund der Coronavirus-Pandemie Fieber gemessen. Das Tragen einer Maske ist Pflicht.

Gleich neben dem Empfang befindet sich das Restaurant. Die Ernährung gehört zu den Kernkompetenzen des OYM. Dementsprechend müssen die Produkte mindestens Bio-Qualität aufweisen, sollen doch keine hormonaktive Substanzen in den Verdauungstrakt gelangen. Die Getränke werden selber hergestellt. Das Buffet ist in die Bereiche Kohlenhydrate, Proteine und Fette gegliedert, was es den Athletinnen und Athleten einfach macht, sich zu orientieren. Schliesslich sollen die Bäuche nicht nur nach Lust und Laune gefüllt werden, sondern nach dem Bedarf. «Wir wollen dem Sportler genau sagen, was er zu sich nehmen muss», beschreibt Küchenchef Christoph Schär im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA die Philosophie.

Das soll mittels einer Smartwatch - im Moment ist man noch nicht so weit - vonstattengehen. In dieser sollen sämtliche Daten festgehalten werden - in welcher Wettkampfphase sich der Sportler befindet, wieviel Eis- respektive Trainingszeit er hatte, was in den nächsten Tagen geplant ist und so weiter. Dann werden die einzelnen Komponenten auf die Waage gestellt und die Smartwatch gibt beispielsweise an: Genug Fett, du bräuchtest noch Proteine.

Das Ganze geht so weit, dass von den Lebensmitteln nicht nur die Makro-, sondern auch die Mikronährstoffe bekannt sind. «Wir wissen genau, was in den Produkten drin ist», erklärt Schär. So ist eine Karotte nicht einfach eine Karotte, es werden Unterschiede gemacht, ob sie roh, gekocht, geschmort oder gedämpft zu sich genommen wird. Zudem ist ein «Rüebli» im Winter nicht gleich wie im Sommer. Tests wie Körperfettmessungen liefern die notwendigen Daten, da nicht jeder gleich auf das Essen reagiert. «Das Ziel von OYM ist, das hohe Level der anderen Kompetenzen bei der Ernährung weiterzuführen. Wir wollen die Athleten soweit bringen, dass sie merken, dass Essen ein Teil des Trainings ist.» Ausserdem sollen die gesammelten Daten später dazu führen, dass Rückschlüsse für die Gesamtbevölkerung gezogen werden können.

Es gilt im OYM nicht nur das Motto «Jedes Essen ist eine Essensanamnese», sondern auch «Jedes Training ist ein Test und jeder Test ist ein Training». Auch bei der Athletik wird nichts dem Zufall überlassen, schliesslich sollen dank den vielen Daten bestmögliche Entscheide getroffen werden, um die Sportler rascher und erfolgreicher zum Ziel zu führen. Die Athletikhalle umfasst eine Fläche von 3000 Quadratmeter mit rund 200 Kraftgeräten, eine Sprint- und Treppenrampe, einen Sprint-Track mit vier Bahnen sowie einen «Turf»-Bereich für das Kleingruppentraining. Die Raumtemperatur beträgt das ganze Jahr 20 Grad und die Luftfeuchtigkeit 50 Prozent.

Das Eisfeld hat verstellbare Banden, kann innert drei Stunden vom europäischen auf NHL-Mass angepasst werden. Fürs Eishockey gibt es einen spezifischen Raum, in welchem Schuss und Lauftrainings absolviert werden können. Auch bei Verletzungen ist die Infrastruktur optimal, und es ist ein College integriert, um den Sportlern eine Ausbildung im Haus zu ermöglichen- eine KV-Lehre oder das Gymnasium mit Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht. Ausserdem gibt es 25 Zimmer mit 50 Betten.

Seit dem 17. August werden talentierte Handballerinnen und Eishockeyanerinnen im OYM gefördert. Erstere, zehn Spielerinnen der Jahrgänge 2003 bis 2005, sind von Montag bis Freitag in Cham und leben bei Gastfamilien. Jede hat eine App mit einem individuellen Wochenplan. Athletik-Einheit, Schule, Handball-Training, so sieht der Tagesablauf aus. «Wir sagten uns: Entweder wir machen etwas Richtiges im Frauen-Handball oder wir lassen es sein», erzählt Projektleiterin Karin Weigelt. «Halbprofessionell kommst du auf keinen grünen Zweig». Die auserwählten Handballerinnen sind vier Jahre im OYM, der Selbstbehalt beträgt pro Jahr 12'000 Franken. Jedes Jahr kommen neue Spielerinnen dazu, maximal gibt es 16 Plätze.

Sev Albrecht, eine der Auserwählten, ist begeistert: «Ich war beeindruckt, wie gross das Ganze ist. Seit ich mit Handball anfing, wünschte ich mir, mehr Trainings zu haben.» Frauen-Nationaltrainer Martin Albertsen, ein Däne, ergänzt: «Ich kenne andere Akademien. Hier ist es jedoch ganz anders, als ich es von anderen Ländern kenne. Alles ist top. Es dauert jedoch eine gewisse Zeit, bis man die Entwicklung der Spielerinnen sieht. Ich habe aber ein gutes Gefühl.»

In Eishockey profitieren zwölf Förderspielerinnen vom Angebot, abgestimmt auf deren Möglichkeiten. Neben Tests, Athletik und Skill-Trainings wird am Montag und Mittwoch jeweils auf dem Eis geübt. «Es ist für uns eine riesige Ehre, das OYM als Partner nennen zu dürfen. Was HP (Strebel, die Red.) mit seinem Team aufgebaut hat, ist unbeschreiblich», sagt Daniela Diaz, die Managerin der Frauen-Nationalmannschaften. «Sportlich ist es für uns eine grosse Chance.» Sie seien überzeugt, dass sie der gesamtheitliche Ansatz langfristig an die Weltspitze führen werde.

Frauen-Nationaltrainer Colin Muller hebt die Wichtigkeit einer guten Athletik hervor. «Ohne das geht es nicht. Es ist gut, wenn die Spielerinnen das Bewusstsein erlangen, was es für Topleistungen braucht. Das können sie dann an die anderen weitergeben», führt er aus. Vom OYM ist er mehr als beeindruckt: «Für mich gibt es im Moment nichts Vergleichbares auf der ganzen Welt.»

veröffentlicht: 1. September 2020 15:05
aktualisiert: 1. September 2020 15:05
Quelle: sda

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