Rund 4400 Athletinnen und Athleten starteten in den letzten knapp zwei Wochen an den Paralympics in Paris. Werden diese nach gewonnenen Medaillen aufgereiht, schafft es Catherine Debrunner aufs Podest.
Zusammen mit dem italienischen Schwimmer Stefano Raimondi belegt Catherine Debrunner, die Überfliegerin in der Leichtathletik, mit ihren fünf Gold- und einer Silbermedaille Rang 2 im Ranking der erfolgreichsten Athletinnen und Athleten von Paris 2024. Einzig die chinesische Schwimmerin Yuyan Jiang räumte mit sieben Goldmedaillen noch mehr ab.
Zweijährige Auszeit
Es zeigt, welch aussergewöhnliche Leistungen Debrunner in Paris gelungen sind. Die 29-Jährige startete in sechs Disziplinen. Auf der Bahn holte sie über 5000 m, 1500 m, 800 m und in ihrer liebsten Sparte über 400 m teils überlegen Gold. Einzig über 100 m musste sie sich der britischen Sprintspezialistin Samantha Kinghorn geschlagen geben und mit Silber Vorlieb nehmen.
Wer Debrunner sieht, wie sie scheinbar mühelos von Erfolg zu Erfolg fährt, kann sich wohl nur schwer vorstellen, dass die Leichtathletik für die Thurgauerin vor noch nicht allzu langer Zeit nicht Beruf, sondern bloss eine von zahlreichen Beschäftigungen war: Nach den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro trainierte sie nur so, wie ihr gerade danach ist. In den folgenden zwei Jahren beendete sie ihre Ausbildung zur Primarlehrerin, macht ein Austauschsemester in Lausanne.
Das Unterrichten ist eine grosse Leidenschaft Debrunners. Eine Leidenschaft aber auch, die, wie sie irgendwann merkt, ihr zu viele Ressourcen wegnimmt, um in der Leichtathletik den Weg an die Weltspitze zu gehen. Denn spätestens als sie 2019 in einem Trainingslager Arno Mul kennenlernt, ist ihre Leidenschaft für die Leichtathletik und der Ehrgeiz, eine der schnellsten Frauen der Welt zu werden, wieder entfacht.
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Viel Schlaf, wenig Ablenkung
Um mit dem niederländischen Coach zusammenzuarbeiten, verbringt Debrunner seither viel Zeit im nationalen Trainingszentrum Papendal in Arnhem. Mittlerweile ist Debrunner Profi und trainiert Mul ein Team, das Athletinnen und Athleten aus der ganzen Welt vereint. «Red Velvet Racing Team», nennen sie sich, weil das gleichnamige Gebäck in einem Trainingslager einmal hoch im Kurs war.
Doch durch die süsse Versuchung soll nicht das Bild entstehen, dass Debrunners Weg in die Weltklasse ein leichter gewesen wäre. Im Gegenteil. Er ist geprägt von zahlreichen Trainingsstunden, von unglaublicher Selbstdisziplin. «Ich versuche einfach, die beste Catherine Debrunner zu sein, die ich sein kann», sagt die Athletin. Das beinhaltet auch Entbehrungen. Während Wettkämpfen nutzt sie eine andere Telefonnummer, damit sie nicht abgelenkt werden kann von ihrem Fokus auf den Sport. Zudem hat sie einen Manager, der sich um mediale Anfragen und ihre Kanäle in den sozialen Medien kümmert.
«Ich schlafe viel und konzentriere mich auf meine Wettkämpfe», sagt Debrunner, nachdem sie auf der Bahn ihre dritte Goldmedaille eingefahren hat und von einem französischen Journalisten nach ihrem Erfolgsrezept gefragt wird. Es ist eine Frage, die sie oft gestellt bekommt. Die aber nicht auf einen einzelnen Faktor heruntergebrochen werden kann.
«Es sind ganz viele Puzzleteile, die mir dabei helfen, meine Leistungen bringen zu können», sagt Debrunner. Sie meint damit ihr Umfeld, ihren Trainer, aber auch Vorbilder wie Marcel Hug und Manuela Schär, die ihr gezeigt haben, dass man es aus der Schweiz an die Weltspitze schaffen kann.
Noch besser? «Schwierig»
Als sie nach dem Pariser Marathon am Sonntag im Zielraum steht, ist Debrunner die Anstrengung der letzten Tage anzumerken. Sie redet langsamer als sonst und ist nun, da sie historische Paralympics hinter sich hat, selbst überrascht, was sie alles erreicht hat. Damals, als sie aufgehört habe, als Lehrerin zu arbeiten, sei ihr Ziel nur gewesen, sich ganz auf den Sport konzentrieren zu können, sagt Debrunner.
«Dass ich dermassen Erfolg haben würde, hätte niemand gedacht.» Sie denkt dabei nicht nur an die Paralympics. Auch an die letztjährige WM, die im Pariser Stade Charléty ausgetragen wurde und Debrunner vier Gold- und eine Silbermedaille einbrachte. Oder an ihre Auszeichnung als «Sportsperson of the Year with a Disability», als ihr im gleichen Jahr in - wie könnte es anders sein - Paris der Laureus Award verliehen wurde. «Paris ist schon ein Happy Place für mich», sagt Debrunner.
Ein nächster Ort zum Wohlfühlen soll Los Angeles werden, wo 2028 die nächsten Paralympics stattfinden. Doch lassen sich die Erfolge von Paris überhaupt übertreffen? Debrunner sagt, es werde schwierig. «Vielleicht werden diese Spiele von Paris meine besten Paralympics bleiben.»
Ihr Trainer Arno Mul sagte einmal: «Wenn man schnell ist, ist es einfach, schneller zu werden. Und Catherine ist unglaublich schnell.» Die Überfliegerin könnte also vielleicht gar noch höher fliegen.
(sda/SI)