Chaoten in Luzern

«Kommt vermehrt zu Zwischenfällen» – Gewaltforscher über FCB-Randalen

· Online seit 10.03.2023, 05:46 Uhr
Fussballchaoten sorgen derzeit für Gesprächsstoff in Luzern. Die Frage, wie mit gewaltbereiten Anhängern umgegangen werden soll, hat unterdessen auch die Luzerner Kantonsregierung erreicht. Wie schätzt ein Gewaltforscher die Lage ein?
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Wiederholt haben in Luzern angebliche Fans vor und nach Fussballspielen des FCL randaliert. Erst am vergangenen Wochenende demolierten und verschmierten Basel-Chaoten einen Zug auf dem Weg zur Allmend.

Aus diesem Grund denkt der Luzerner Sicherheitsdirektor Paul Winiker laut über eine Schliessung des Gästesektors nach. Und auch politisch werden Stimmen laut, den Vertrag zwischen dem Kanton und dem FCL über die Sicherheit neu zu verhandeln.

Doch wie steht es um die Sicherheit rund um den Schweizer Fussball? Wir haben bei Alain Brechbühl von der Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen an der Universität Bern nachgefragt. Er ist Gewaltforscher und hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach zu Themen wie Fangewalt im Fussball geäussert. Zudem hat sich Brechbühl ausführlich mit dem «Good Hosting»-Konzept auseinandergesetzt.

Wie hat sich das Verhalten der Fans in den vergangenen Jahren verändert?

Alain Brechbühl: Im Hinblick auf problematisches Verhalten scheint die Lage weitestgehend unverändert. Nach den Covid-bedingten Spielen ohne Zuschauer konnte jedoch eine stärkere Tendenz zu gesuchten Konfrontationen zwischen den rivalisierenden Fans festgestellt werden. Inwiefern es sich dabei um Covid-bedingte Nachwehen handelt, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden. Fest steht, dass es «nach» Covid in ganz Europa vermehrt zu Zwischenfällen rund um Fussballspiele kam.

In der Luzerner Kantonsregierung wird nun darüber nachgedacht, keine Gästefans mehr im Stadion zuzulassen. Ist eine solche Massnahme zielführend?

Die uns vorliegenden Erkenntnisse werfen ein eher kritisches Licht auf solche Massnahmen. Die organisierten Fans sind äusserst kreativ, solche Massnahmen zu umgehen. Hinzu kommt, dass sich die Heimfans häufig mit den Gästefans solidarisieren. Ein Beispiel dafür war, als sich die FCZ-Fans 2018 im Familiensektor der Luzerner Swissporarena sammelten. Das stellt nicht nur den Veranstalter, sondern auch die lokale Polizei vor grosse Probleme. Der Nachweis, zu welchem Klub ein konkreter Fan gehört, ist schwierig und der Kontrollaufwand dabei ausserordentlich hoch. Sollten sich die Fans anstatt im Stadion im öffentlichen Raum aufhalten, endet dies nicht selten in einem Katz-und-Maus Spiel mit der Polizei.

Das Hooligan-Konkordat sieht bereits diverse Möglichkeiten wie Rayonverbote oder Meldeauflagen vor. Inwiefern würden weitere Verschärfungen wie keine Gästefans in Stadien etwas bringen?

Die Fernhaltung von Personen scheint gemäss einer von uns durchgeführten Evaluation zu funktionieren, was einen positiven Effekt auf die Verhinderung von Gewalt haben kann. Die Identifikation von fehlbaren Personen ist aber oftmals der Knackpunkt, was sich auch in den Diskussionen rund um die mögliche Einführung von personalisierten Tickets zeigte. Kommende Woche findet diesbezüglich eine Medienkonferenz statt. Fest steht, dass eine einzig auf Repression basierende Strategie wenig erfolgversprechend ist. Eine langfristig nachhaltige Lösung findet sich nur in einem dialogbasierten Ansatz, bei welchem gemeinsam tragbare Kompromisslösungen erarbeitet werden können.

Bewährt sich aus Ihrer Sicht das «Good Hosting»-Konzept?

Das «Good-Hosting»-Konzept wird praktisch von allen Klubs relativ konsequent umgesetzt. Anstatt volluniformierte Sicherheitsmitarbeiter mit Helmen arbeiten normal gekleidete Stewards an den Stadioneingängen. Zusammen mit der freundlichen Herangehensweise und den stichprobenartigen Kontrollen hat dies definitiv zu einem Rückgang von Zwischenfällen beim Einlass geführt.

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(red.)

veröffentlicht: 10. März 2023 05:46
aktualisiert: 10. März 2023 05:46
Quelle: PilatusToday

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