Sascha Ruefer zur EM

«Italien ist verdienter Europameister – Schweizer können positiv in die Zukunft blicken»

13.07.2021, 08:39 Uhr
· Online seit 12.07.2021, 19:12 Uhr
Sascha Ruefer war auch an der EM 2020 der treue Begleiter der Fussball-Fans. Der SRF-Mann aus Schenkon bei Sursee kommentierte neben allen Spielen der Schweizer Nati auch den EM-Final zwischen Italien und England. Im Interview mit PilatusToday zieht er seine EM Bilanz.
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Zum zweiten Mal in der Geschichte ist Italien Europameister. Sascha Ruefer, ist es denn auch der verdiente Europameister?

Italien darf durchaus als verdienter Europameister bezeichnet werden. Die Italiener haben vor drei Jahren den Sprung an die WM verpasst, waren am Boden und dann kam mit Roberto Mancini ein neuer Trainer. Seither haben sie kaum verloren und spielen technisch, wie auch taktisch, einen hervorragenden Fussball.

Und dennoch war der Final nicht wirklich ein absoluter Leckerbissen für die Fans. Trotz Elfmeterschiessen.

Das war kein Spiel, das alle von den Sitzen gerissen hat. Vor allem, weil man in der Gruppenphase und den K.O.-Spielen von beiden Teams hervorragende und spektakuläre Spiele gesehen hatte. Der Final war dann sehr von Taktik und Vorsicht geprägt. Die Engländer standen teils mit sieben Mann hintendrin und das macht es dann für den Gegner auch schwierig. Aber: Das Spiel lebte von der Spannung und der Dramatik. Und mit Dramatik ging es dann auch zu Ende.

Jetzt haben die Engländer während neun Monaten das Elfmeterschiessen geübt. Hat der Final gezeigt, dass Penaltyschiessen eben doch einfach eine Lotterie ist?

Das ist immer so eine Sache. Viele sagen, dass es eine Lotterie ist. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die andere ist, dass es einfach ein Duell auf elf Metern ist. Man muss das Tor auf diese elf Meter einfach irgendwie treffen. Macht man das mit einer gewissen Konzentration, dann ist das auch möglich. Steht man dann aber in einem EM-Finale und muss Anlauf nehmen, dann ist dieses Tor plötzlich sehr klein. Die Engländer schossen dann schlecht und man sah auch, dass die Nerven flatterten bei ihnen und deshalb haben die Italiener letztlich triumphiert.

War der Final dann auch dein Highlight? Oder war es eben doch die Schweizer Nati?

Es war insgesamt ein spektakuläres Highlight. Aber klar, das persönliche Highlight war der Sieg der Schweiz gegen Frankreich. Das war ein Drama in verschiedensten Akten mit dem Höhepunkt, dass die Schweiz den Weltmeister rauskegelt (PilatusToday berichtete). Wer hätte das Gedacht, nach Führung, verschossenem Elfmeter, Rückstand, Aufholjagd und Elfmeterschiessen. Sowas gibt es in einem Fussballerleben nur einmal. Entsprechend ist es für mich das ganz grosse Highlight.

Die Schweiz hat viel Freude gemacht, dennoch waren da auch die blonden Haare von Xhaka oder das Debakel gegen Italien. Was bleibt von dieser Mannschaft?

Die Schweizer Nati hat einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Sie ist etwas eine Wundertüte. Zuerst schien es, als ob die Schweiz nicht bereit ist für das Turnier und dann schafft sie doch das Wunder und qualifiziert sich sensationell für das Viertelfinale. Deshalb bleibt für mich, dass die Mannschaft das Potential hat in einen Viertelfinal zu kommen und hat damit eine neue Messlatte gesetzt und an dieser Messlatte darf die Mannschaft künftig auch gemessen werden.

Für die WM 2022 in Katar können wir also viel von den Schweizern erwarten?

Als Schweizer Fussball-Fan kann man sehr positiv in die Zukunft schauen. Die Schweiz ist nicht gezwungen, einen Umbruch einzuleiten. Das Grundgerüst steht. Es braucht vielleicht da und dort Ergänzungen. Wichtig ist aber, dass es jetzt einen schnellen Entscheid gibt, ob Trainer Vladimir Petkovic bleibt oder nicht. Dann braucht es gewisse Ruhe und ein gutes Debriefing der EM und dann traue ich der Schweiz den Sprung an die WM und eine gute Platzierung dort zu.

Trotzdem wird es einige Kaderveränderungen brauchen. Ricardo Rodriguez oder Mario Gavranovic sind nicht mehr auf dem Höhepunkt ihrer Karriere.

Man darf nicht vergessen, dass der Umbruch eigentlich bereits stattgefunden hat. Rodriguez oder Gavranovic sind die arrivierten, älteren Spieler. Jene, welche sie beerben werden, sind aber bereits mit dabei. Ruben Vargas beispielsweise ist so ein Spieler. Da gibt es aber auch noch weitere. Deshalb glaube ich schon, dass Trainer Petkovic ein Gros von 30 Spielern bereits beisammen hat und so nicht den kompletten Kader austauschen muss und damit die DNA dieser Mannschaft erhalten kann. Weil dieser Umbruch eben bereits passiert ist, kann Petkovic jetzt justieren.

veröffentlicht: 12. Juli 2021 19:12
aktualisiert: 13. Juli 2021 08:39
Quelle: PilatusToday

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