Schweiz oder Italien? Warum Doppelbürgern die Entscheidung leicht fällt
Italien, Türkei und Wales heissen die Gruppengegner der Schweiz an der diesjährigen Fussball-EM. In der Schweiz leben nicht nur viele Italiener, sondern auch diverse Türken. Auch auf der Redaktion von PilatusToday sind die beiden Nationen vertreten. Unsere Redaktoren David Migliazza (Italien) und Muhammed Keskin (Türkei) erzählen, warum sie der Schweiz im Direktduell den Rücken kehren.
Italien: «Respekt muss man sich verdienen»
Für mich war es nie eine Frage, welche Nationalmannschaft zuoberst auf meiner Favoriten-Liste steht. Als Kind habe ich die Welt- und Europameisterschaften oft mit meinem italienischen Vater und seinen Freunden verfolgt. Bei jedem Italien-Tor wurde gejubelt und bei Gegentoren geflucht. Als wir 2000 im Endspiel der EM gegen Frankreich verloren, brach für mein fünfjähriges Ich eine Welt zusammen Und als Fabio Cannavaro 2006 die Weltmeistertrophäe in die Höhe stemmte, war es einer der schönsten Momente meines Lebens.
Natürlich haben wir uns damals auch alle Spiele der Schweizer Nati angeschaut. Es gab jedoch selten Gelegenheit, eine emotionale Beziehung zu den Schweizern aufzubauen – und wenn, dann beruhte diese meist auf Enttäuschungen. Auch störte es mich schon immer, dass sich bei den Schweizern mehr als die Hälfte der Spieler nicht mal die Mühe machte, so zu tun, als ob sie die Nationalhymne singen. Ein nur schwer zu ertragendes Bild wenn man sich den inbrünstigen, stolzen Gesang der Italiener gewohnt ist. Den Respekt der Fans muss man sich meiner Meinung nach verdienen.
So kommt es, dass ich heute Abend mit Italien-Leibchen und -Fahne die Squadra Azzurra unterstützen werde und nicht die Schweizer Nati. Trotz aller Kritik an den Schweizern feuere ich sie in anderen Partien eifrig an und hoffe, dass sie den Italienern aus der Gruppenphase folgen und so weit kommen wie möglich – halt nur nicht weiter als Italien.
Türkei: «Zu den Schweizern fehlt die emotionale Bindung»
Spiele zwischen der Schweiz und der Türkei sind immer mit einem faden Beigeschmack verbunden. In Erinnerung bleiben die wüsten Szenen vor 16 Jahren in der WM-Barrage – die Horror-Nacht von Istanbul, die zur Prügelorgie ausartete. Bis heute bleiben diese Szenen im Kopf und vor jedem Direktduell zwischen der Schweiz und der Türkei sind Aggressionen vorprogrammiert. Zwischen den Fronten ist es für mich als gebürtiger Türke noch einmal schwieriger, eine Position einzunehmen. Ja, ich habe den Schweizer Pass und ja, ich unterstütze die Nati an den anderen Spielen. Aber im direkten Duell schlägt mein Herz trotzdem für die Türkei. Ich bin mit dieser Kultur, mit den türkischen Werten aufgewachsen. Bevor ich deutsch sprechen konnte, feuerte ich schon die türkischen Fussballer an. Wenn ich in ein Trikot schlüpfte, dann kam nur eines von Besiktas Istanbul in Frage.
Vergleiche ich heute die beiden Mannschaften, kann ich auf die türkischen Fussballer stolz sein. Bei den Schweizer Spielern fehlt mir die emotionale Bindung. Ich bin stolz auf eine Mannschaft, die mit Herzblut ihre Hymne vorträgt und für eine ganze Nation schwitzt. Diese Leidenschaft kann ich bei der Schweizer Nati nicht spüren. Sie wirkt mir fremd. Wenn nicht einmal die eigene Bevölkerung ganz hinter der Nati stehen kann, wie könnte ich es? Wir regen uns über den Doppeladler auf, stören uns daran, dass sich die Spieler die Haare blond färben oder halten die Hand vors Gesicht, wenn sie bei der Hymne schweigen. An der EM oder WM geht es auch darum, seine Nation zu repräsentieren. Wenn rot-weiss, dann nur mit Mond und Stern.
Du bist auch Doppelbürger? Wen feuerst du an und wieso? Lass es uns in den Kommentaren wissen!
(mda/kmu)