Tennis

Wird Djokovic kampflos die Nummer 1 aller Nummern 1?

05.04.2020, 14:05 Uhr
· Online seit 05.04.2020, 14:05 Uhr
Wegen der Coronavirus-Pandemie sind die Tennis-Weltranglisten derzeit «eingefroren». Wie Roger Federer könnte nun auch Novak Djokovic davon profitieren.
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Als die Weltrangliste vor zwei Wochen «eingefroren» wurde, erachteten viele Roger Federer als Sieger und Novak Djokovic als Verlierer des Vorgehens. Djokovic könnte sich in den nächsten Wochen aber eine der begehrtesten Bestmarken sichern, ohne einen Finger zu rühren.

Es ist eine weitere, unerwartete Folge aus all den Verschiebungen und Absagen der Coronavirus-Krise. Novak Djokovic, die amtierende Nummer 1, führte bislang 283 Wochen lang die Weltrangliste an. Damit belegt er derzeit im «ewigen» Ranking den dritten Platz - nur noch drei Wochen hinter Pete Sampras und nur noch 27 Wochen hinter Roger Federer (310 Wochen).

Seit dieser Woche steht fest, dass der Tennis-Circuit mindestens bis am 13. Juli ruht. Aber ob im Sommer auf Sand in Gstaad (ab 18. Juli) oder auf den amerikanischen Hartplätzen gespielt werden kann, steht in den Sternen und erscheint derzeit eher unwahrscheinlich. Wenn also die Association of Tennis Professionals (ATP) entscheidet, dass Djokovic die Wochen während der Corona-Pause gutgeschrieben werden, zieht er sicher an Sampras, aber vielleicht auch an Roger Federer vorbei, bevor überhaupt wieder gespielt werden kann.

Diese Frage dürfte eine Kontroverse auslösen. Die Anhänger von Roger Federer würden aufschreien, zumal Rafael Nadal schon in Indian Wells - dem ersten Turnier, das abgesagt worden ist - Djokovic als Nummer 1 hätte ablösen können. Wieder andere wie Top-Coach Darren Cahill sind der Meinung, dass Novak Djokovic die Wochen verdient, denn «wenn alles normal gelaufen wäre, wäre Djokovic sowieso eine Weile die Nummer 1 geblieben», so Cahill gegenüber ESPN.

Aber Cahill ist Australier wie Ashleigh Barty, der aktuellen Nummer 1 bei den Frauen, mit der er noch letztes Jahr im Rahmen des adidas-Teams auch zusammen arbeitete, und deshalb ist Cahill wohl auch etwas befangen.

Aber: Novak Djokovic spielte seit dem Spätsommer 2019 und dem gewonnenen Wimbledon-Final gegen Roger Federer (nach zwei abgewehrten Matchbällen) phänomenal. Nach Wimbledon gewann er noch Tokio, Paris-Bercy, den ATP Cup, das Australian Open und Dubai. Die neue Saison startete er mit 18:0 Siegen.

Die ATP befasst sich derzeit mit dem eingefrorenen Ranking und der «Djokovic-Frage». Auf Anfrage schreibt die ATP, dass «viele Aspekte betreffend der eingefrorenen Weltrangliste und alle Details, was sein wird, wenn wieder gespielt werden kann, noch nicht abschliessend geregelt sind. Wir halten sie auf dem laufenden».

Die Weltranglisten der Männer und Frauen funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Es werden alle Resultate der letzten 52 Wochen berücksichtigt. Nach 52 Wochen fallen die vor einem Jahr gewonnenen Punkte weg. Das System setzt voraus, dass ohne Unterbruch gespielt werden kann. Weil dies derzeit nicht der Fall ist, hat die Tour ein Problem.

Lösungsmöglichkeiten gibt es mehrere. Die logischste wäre, die alten Punkte so viele Wochen länger im Portefeuille zu behalten, wie die Pause letztlich andauert. Diskutiert wird auch wieder der Vorschlag, den Rafael Nadal schon vor der Coronavirus-Krise portiert hat, nämlich die Punkte zwei Jahre lang behalten zu können. Die ATP und WTA tendieren aber dazu, am bewährten System festzuhalten. Gesucht werden Übergangslösungen.

Dabei spielt aber eine Rolle, ob 2020 überhaupt noch gespielt werden kann. Immer mehr zweifeln daran. Die USTA, die Organisatorin des US Open, kommunizierte diese Woche aus New York, dem Epizentrum der amerikanischen Corona-Krise, vorsichtig, dass sie sich «auf alle Eventualitäten vorbereitet». Die Amerikanerin Coco Gauff verkündete auf Instagram, dass sie davon ausgehe, dass heuer nicht mehr gespielt werden kann. Lucas Pouille war auf Twitter noch stolz darauf, dass er unmittelbar vor dem «Shutdown» in Frankreich ein Haus mit einem Tennisplatz gefunden hat. Pouilles Trainerin Amélie Mauresmo warnt ihren Schützling aber ebenfalls auf Twitter vor übertriebener Zuversicht: «Pas de vaccin = pas de tennis» (Ohne Impfstoff kein Tennis).

Einzelne Turnierdirektoren schlagen der ATP sogar schon vor, die gesamte Saison inklusive der gespielten Turniere zu annullieren und am 1.1.2021 dort weiterzufahren, wo die Tenniswelt am 31. Dezember 2019 stand. Diese Radikal-Lösung wäre dann allerdings für Novak Djokovic, den Gewinner des Australian Open 2020, wieder alles andere als erfreulich.

veröffentlicht: 5. April 2020 14:05
aktualisiert: 5. April 2020 14:05
Quelle: sda

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