Sport

Zeitnehmer in Peking – Schweizer Präzision an Olympia

Schweizer Präzision

Zeitnehmer-Chef über eisige Temperaturen, Pannen und «Bschisse» an Olympia

· Online seit 16.02.2022, 18:01 Uhr
Es geht um Hundertstel, teils entscheidet gar das Zielfoto: An den Olympischen Spielen stehen nicht nur die Athleten im Fokus, sondern auch die ZeitnehmerInnen. Sie und ihre Technik entscheiden über Medaille oder undankbaren vierten Platz. Eine riesige Verantwortung, die keine Fehler verzeiht.

Quelle: PilatusToday / Daniel Schmuki

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«Ich weiss nicht, ob ich ruhig schlafen kann», sagt Alain Zobrist. «Wir schlafen aber auf jeden Fall alle etwas weniger während den Olympischen Spielen.» Der CEO von Swiss Timing sagt dies in einer Gelassenheit, die beeindruckt. Denn als Chef der Zeitnehmer ist er der Hauptverantwortliche, wenn bei der Zeitmessung etwas nicht funktioniert.

«Haben überall Backup-Systeme installiert»

Ein Horrorszenario, welches um jeden Preis verhindert werden muss. Nicht auszudenken, was los wäre, wenn die Zeitmessung ausgerechnet am für viele Sportlerinnen und Sportler wichtigsten Wettkampf ihrer Karriere nicht richtig funktioniert und wegen einer Panne plötzlich niemand weiss, wer denn nun am schnellsten oder zuerst im Ziel war.

Die Gefahr eines solchen Blackouts besteht immer. Doch Zobrist versichert: «Wir haben überall Backup-Systeme und Backups dieser Backup-Systeme installiert. Der Strom kommt aus verschiedenen Energiequellen und wir haben Batterien als zusätzliche Absicherung.» Sollte es tatsächlich Probleme geben, könne man noch innerhalb des Wettkampfes vom Hauptsystem aufs Backup-System oder das zweite Backup-System wechseln, ohne dass dabei Daten verloren gehen.

Von der Stoppuhr zur automatisierten Zeitmessung

Dass der Zeitnehmer-Chef so gelassen ist, kommt nicht von ungefähr. Der Uhrenhersteller Omega, ein Schwesterunternehmen von Swiss Timing, ist bereits zum 30. Mal offizieller Zeitnehmer von Olympischen Spielen. Über die Jahre ist nicht nur die Erfahrung gewachsen, sondern hat sich auch die Technologie weiterentwickelt: «Bei unseren ersten Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles waren 30 Stoppuhren im Einsatz, die ein Uhrmacher extra in die USA gebracht hat», erinnert sich Zobrist.

«Heute werden keine Stoppuhren mehr eingesetzt, um die Zeiten der Athleten zu messen, sondern hoch entwickelte Geräte. Jeder Sport ist verschieden und benötigt andere Technologien.» Bei der Abfahrt zum Beispiel stehen über ein Dutzend Zeitnehmer im Einsatz – am Start, im Ziel und innerhalb der Strecke. Andere Sportarten wiederum benötigen weniger Personal.

Tonnenweise Material und jahrelange Vorbereitung

Für die Olympischen Spiele in Peking stehen insgesamt 300 Zeitnehmerinnen und Zeitnehmer im Einsatz. Zudem wurde 200 Tonnen Material nach China verfrachtet. Doch die Vorbereitung auf die Spiele beginnt schon drei Jahre vor der Eröffnungsfeier. Ein kleines Team arbeitet Hand in Hand mit den Organisatoren und dem Internationalen Olympischen Komitee.

So sind die Zeitnehmer unter anderem auch in die Konstruktion der Stadien involviert. «Damit kann sichergestellt werden, dass wir die Infrastruktur haben, die wir an den Spielen benötigen.» Als wichtige Standortbestimmung dienen jeweils die Testevents, welche ein Jahr vor Olympia stattfinden. Zehn Tage vor der Eröffnungsfeier, wenn der ganze Tross der Zeitnehmer anreist, beginnen dann die letzten Vorbereitungen.

Corona hatte laut Alain Zobrist keinen direkten Einfluss auf diese Vorbereitungen. Einzig logistisch sei es durch die Pandemie viel komplexer geworden. Die grosse Herausforderung hier in China ist ohnehin die Kälte: «Im Starthaus in Yanqing haben wir kürzlich -34 Grad gemessen.» Das Material könne solche Temperaturen problemlos aushalten. «Doch die Geräte sind das eine. Auch die Zeitmesser und Athleten sind dieser Kälte ausgesetzt.»

Nix da mit «Bschisse»

Bei einer Schweizer Firma drängt sich natürlich die Frage auf, ob man denn nicht einen kleinen Wettbewerbsvorteil für unsere Athletinnen und Athleten herausholen kann. Man könnte die Zeitmessung von Ramon Zenhäusern oder Fanny Smith ja ein paar Millisekunden später starten. «Alle Athleten werden genau gleich behandelt. ‹Bschisse› kann man nicht», dämpft der Zeitnehmer-Chef die Hoffnungen.

Schade, aber verständlich. Denn Omega ist nicht umsonst seit 90 Jahren offizieller Zeitnehmer der Olympischen Spiele. Würde da einmal getrickst, wäre die Firma ihr Mandat wohl schneller los als ihr lieb ist. Und die Glaubwürdigkeit der Schweiz als neutrales Land mehr als nur infrage gestellt.

veröffentlicht: 16. Februar 2022 18:01
aktualisiert: 16. Februar 2022 18:01
Quelle: PilatusToday

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