Phrasen ohne Ende

«Guter Rutsch» und «Guets Nöis»: Festtage sind der Floskel-Horror!

03.01.2022, 14:54 Uhr
· Online seit 03.01.2022, 12:42 Uhr
Von besinnlichen Weihnachten, guten Rutschen und neuen Jahren. In der Weihnachtszeit mutieren wir zu Phrasendreschern. Warum unsere Redaktorin ihre liebe Mühe hat damit.
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Die Festtagszeit ist die Zeit der leeren Floskeln. Schon Mitte Dezember fing das Grauen an, als sich nach und nach die Bürokollegen (also jene, die noch im Büro weilten und nicht im Home Office arbeiteten) in die Ferien verabschiedeten. «Schöne Weihnachten», «Ja danke, dir auch schöne Weihnachten!» «Wie feiert ihr Weihnachten?» «Mit Essen, einem echten Baum und Wichtelgeschenken in der Familie.» Small Talk, ich werd nie ein Freund davon sein.

«Schöne Weihnachten» wird allerdings noch getoppt mit «Besinnliche Weihnachten». «Besinnlich» ist ein Wort, das genau ein Mal im Jahr im aktiven Vokabular eines jeden aufzuploppen scheint und ab dem 25. Dezember wieder für ein Jahr in der Versenkung verschwindet. Warum also gerade besinnliche Weihnachten wünschen? Wo doch gerade die Weihnachtszeit für viele ein mega Stress ist! Geschenke überlegen, organisieren, kaufen, was gibt's zu essen, wer kümmert sich um den Christbaum und wer schmückt ihn? Wie viele Guetzlisorten muss man backen? Und wann bäckt man sie, damit es zu Weihnachten, wenn dann der Besuch kommt, noch welche hat? Und wo zur Hölle ist das Geschenkpapier? Ja, besinnlich, durchaus.

Nach Weihnachten wird gerutscht

Nun gut, Weihnachten ist überstanden, wir nähern uns dem Jahresende. Die besinnlichen Festtage werden fliessend abgelöst durch: «Der denn en guete Rotsch, gäll!» Als ob man da mega viel falsch machen kann. Sogar im Schlaf kommt man heil im neuen Jahr an. Highlight sind dann auch jeweils die flachen Sprüche à la: «Ja, ich luege, dasi ned zwöschedabe gheie!» HA HA! Schenkelklopfer.

Übrigens, woher der «Rutsch» ins neue Jahr kommt, siehst du im Video unserer Kollegen von TeleZüri. Notiz an mich: Ich wünsche nun jedem einfach eine gute Reise.

Quelle: TeleZüri

So, wir sind gut ins neue Jahr gereist. Doch schon wartet die nächste Floskel. Man verbringt nun nämlich einen gefühlten Monat damit, jeder und jedem «es guets Nöis» zu wünschen. Wer ins Büro kommt (oder sich im Home Office in die Teams-Sitzung einschaltet) verbringt nun zuerst gute zehn Minuten damit, allen ein gutes neues Jahr zu wünschen. Ich hab mal die Quellen aller Quellen, das Internet, gefragt, wie lange man diesen Gugus dann durchziehen muss. Das sagt mir, dass bei Familien, Freunden, Kollegen und Geschäftspartner Mitte Januar Schluss ist mit den Neujahrswünschen. Eine andere Website rät mir, lieber ein Mal zu viel als zu wenig «es guets Nöis» zu wünschen. Na dann.

Bin ich jetzt der «Grinch» von Neujahr? Ich glaube nicht. Mich stört nicht, dass man dem Umfeld eine wunderbare Zeit wünscht. Mich stört viel mehr der inflationäre Gebrauch. Meint man denn wirklich, was man sagt? Oder sagt man das einfach, weil es alle sagen? Ist es aufrichtig und ernst? Natürlich wünsche auch ich mir, dass meine Freunde, Familie und Bekannte ein erfolgreiches, bereicherndes neues Jahr erleben mit tollen neuen Erfahrungen. Übrigens wünsche ich mir das nicht nur für ein Jahr, sondern für alle Jahre. Aber «es guets Nöis» wird dem nicht gerecht. Es wirkt halbpatzig, lieblos. Aber was erwartet man schon von einer Floskel?

veröffentlicht: 3. Januar 2022 12:42
aktualisiert: 3. Januar 2022 14:54
Quelle: PilatusToday

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