Flirt-Foren

Liebe Pick-up-Artisten, wir müssen reden

19.03.2021, 11:14 Uhr
· Online seit 19.03.2021, 07:51 Uhr
In unserer sexualisierten Welt wundert es nicht, dass gewisse Männer sich auf Foren zu Sexgelüsten austauschen und Frauen mit einer Punkte-Skala bewerten. Die intimen Details, die sogenannte Pick-up-Artisten dabei preisgeben, und Rückschlüsse, die sie ziehen, sind aber höchst problematisch und widerspiegeln ein Weltbild, das nicht der Realität entspricht.
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«Hey, würsch?» – diese oft humorvoll gemeinte Anspielung auf die Frage «würdest du diese Person flachlegen?» – hat sich mittlerweile zu einem gängigen Begriff unter Befreundeten in Bezug auf die Beurteilung rein äusserlicher Faktoren entwickelt. Natürlich ist die Frage oberflächlich und kommt überwiegend im Vokabular männlicher Artgenossen vor, dennoch scheint mir die alleinige Frage noch kein Problem darzustellen. Es geht um eine grundsätzliche Beurteilung potenzieller Anziehungskraft – bevor es zu einer Bekanntschaft, einem Kontakt, zwischen zwei Personen gekommen ist.

Problematisch werden solche Beurteilungen dann, wenn sie öffentlich geteilt werden, wie das in Pick-up-Foren der Fall ist, (PilatusToday berichtete).

Digitaler Missbrauch

Liebe Pick-up-Artisten, es ist nicht die Tatsache, dass sich Männer online über Frauen austauschen, mit der ich Mühe habe, es ist mehr die Art und Weise, wie das passiert, die mir Angst macht.

Es ist die detaillierte Schilderung von Kennenlernprozessen, vom Austausch von Zärtlichkeiten und die despektierliche Beurteilung von intimen Textnachrichten, Aussagen und Gesten, die Frauen physisch und psychisch entblössen. Es ist ein digitaler Missbrauch, bei dem sich eine Minderheit ein Urteil über das Männerbild der Mehrheit erlaubt und weltfremde Beurteilungen mit wildfremden Menschen teilt.

Die Zerstörung des Vertrauens

Es tut weh, Zeilen zu lesen, in denen eine Frau Sex mit einem Mann ablehnt und dieser wiederum von der Community im Pick-up-Forum den Tipp bekommt, die Frau zu ignorieren. «Sie kommt dann schon wieder. Du wirst den Sex bekommen. Du benötigst nur eine gewisse Hartnäckigkeit.» Oder: «Sich belästigt zu fühlen, ist subjektiv. Du wirst es nicht vermeiden können, dass sich manche (Frauen) von dir belästigt fühlen.»

Oder wie Männern, die ihr Interesse an einer Frau zu sehr bekunden und dafür von der Frau, ihrer Meinung nach, zu wenig zurückbekommen, damit geholfen wird: «Solche Frauen vögelt man ne Weile und macht sich dann vom Acker.»

Es tut weh, weil solche realitätsfremden Generalisierungen von Pick-up-Artisten das Vertrauen von Frauen zerstören und zu Irritationen führen, die Männer dann als generelle Frauenprobleme sehen. Es liegt nicht in der Natur der Frau, Sex grundlegend abzulehnen, sich bei Bekanntschaften Zeit zu lassen, oder sich bedrängt zu fühlen. Es sind die Erfahrungen, die Frauen verletzlich und unsicher machen, und die Bedenken sind, wie die Beispiele in Pick-up-Foren zeigen, nicht unbegründet.

Wir sind Subjekte

Während Pick-up-Artisten bei Niederlagen oder emotionalen Krisen einfach «die falsche Taktik» gewählt haben, suchen viele Frauen Fehler bei sich selbst, werden dadurch unsicher, abweisend und landen dann als Besprechungsobjekt in einem dieser Foreneinträge.

Liebe Pick-up-Artisten, Frauen lassen sich genauso wenig pauschalisieren, wie ihr euch gerne abservieren lässt. Wir sind keine Objekte, sondern Subjekte. Statt eure emotionale Aufgewühltheit und den verletzten Stolz mit wildfremden Männern zu teilen, redet doch mit uns, oft wissen wir vermutlich besser, was uns fehlt, als irgendein User, der mehr Zeit damit verbringt, über den perfekten Sex zu schreiben, als ihn zu praktizieren.

veröffentlicht: 19. März 2021 07:51
aktualisiert: 19. März 2021 11:14
Quelle: FM1Today

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