Paläontologie

In den Bündner Alpen lebten einst gigantische Meeressaurier

28.04.2022, 07:09 Uhr
· Online seit 28.04.2022, 06:48 Uhr
Riesige Meeressaurier haben vor mehr als 200 Millionen Jahren die heutigen Bündner Alpen besiedelt. Bei den Fossilfunden könnte es sich gar um die Überreste der grössten Ichthyosaurier handeln, die jemals gelebt haben.
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Das berichten Forschende unter der Leitung von Martin Sander von der Universität Bonn am Donnerstag in der Fachzeitschrift "Journal of Vertebrate Paleontology".

Demnach stiessen die Paläontologen unter anderem auf einen riesigen Ichthyosaurier-Zahn: der Durchmesser der Zahnwurzel betrage sechs Zentimeter. Es sei das bisher dickste, jemals entdeckte Zahn-Exemplar eines Ichthyosauriers, so das Team mit Beteiligung von Heinz Furrer, dem ehemaligen Kurator des Museums für Paläontologie an der Universität Zürich.

Zahnige Ichthyosaurier-Riesen sind selten

Welche Körpergrösse dieser Ichthyosaurier aufwies, lässt sich aus dem Zahn nicht schliessen. Demnach muss der Zahn nicht von einem besonders riesigen Ichthyosaurier stammen, sondern könnte auch einem Ichthyosaurier mit besonders riesigen Zähnen gehört haben.

Unabhängig davon ist es erst das zweite Mal, dass ein Zahn einem so grossen Ichthyosaurier zugeordnet werden konnte. Während nämlich die meisten kleineren Ichthyosaurier sehr wohl Zähne besassen, waren die grossen Arten meist zahnlos und ernährten sich, indem sie ihre Beute einsaugten. Diejenigen mit Zähnen hätten wohl kleinere Ichthyosaurier und grosse Fische verspeist, spekulieren die Forschenden.

In Küstengebiete verirrt

Ausgegraben wurden der Zahn sowie die Rippen und Wirbel von insgesamt drei Meeressaurier-Exemplaren unter Federführung des Paläontologen Furrer zwischen den Jahren 1976 bis 1990 in den Bündner Alpen – am Chrachenhorn, Tinzenhorn und an der Schesaplana. Die Fundgebiete zählen zur sogenannten Kössen-Formation. Das ist eine stratigraphische Einheit in den Ostalpen, die sich von der Ostschweiz bis in den Osten Österreichs erstreckt. Abgelagert wurden die Sedimente in der späten Triaszeit, als das Tethys-Meer grosse Teile der Schweiz bedeckte.

Die Gesteine zeigen, dass es sich bei der Kössen-Formation um ein flaches Küstengebiet handelte – eigentlich zu beengend für die gigantischen, bis zu achtzig Tonnen schweren Meeresreptilien, die an ein Leben in offenem Meer angepasst waren. Die Forschenden vermuten deshalb, dass sich die schnell schwimmenden Jagdsaurier manchmal ins Küstenbecken des nordwestlichen Tethys-Ozeans verirrt hatten oder dass ihre Kadaver dorthin gespült wurden.

Zahnlose Riesen?

Die ausgegrabenen Skelettüberreste förderten gemäss den Forschenden nicht nur einen Zahn-Rekord zutage, sondern auch den grössten Rumpfwirbel Europas eines Ichthyosauriers. Dieses Exemplar kann es demnach mit dem grössten, heute bekannten Meeresreptil-Fossil aufnehmen, dem 21 Meter Ichthyosaurier Shastasaurus sikkanniensis aus British Columbia, Kanada.

Die gefundenen Überreste des dritten Ichthyosaurier-Exemplars lassen auf eine Länge von etwa 15 Metern schliessen. Ob auch diese zwei Ichthyosaurier Zähne besassen, lässt sich derzeit nicht sagen. Es könnte sich stattdessen auch um zahnlose Meeresriesen handeln.

Ausgestorben vor 200 Millionen Jahren

Ichthyosaurier tauchten erstmals vor etwa 250 Millionen Jahren auf, als etwa 95 Prozent der marinen Arten ausstarben. Sie lebten zur gleichen Zeit wie Dinosaurier, waren jedoch keine. Ihren Nachwuchs brachten sie lebend zur Welt, wie Delfine oder Wale heute.

Weil sie von Landtieren abstammten, besassen sie keine Kiemen wie Fische, sondern mussten immer wieder an der Oberfläche Luft holen. Vor etwa 200 Millionen Jahren starben die meisten Ichthyosaurier aus, erst kurz zuvor entwickelten einige von ihnen gigantische Formen.

veröffentlicht: 28. April 2022 06:48
aktualisiert: 28. April 2022 07:09
Quelle: Today-Zentralredaktion

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