1. August

Parmelin: «Gemeinsame Opfer als patriotische Geste»

· Online seit 01.08.2020, 19:05 Uhr
Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat in seiner Ansprache zum 1. August im Südbündner Dorf Cavaione die gegenwärtigen gemeinsamen Opfer wegen der Corona-Krise als «patriotische Geste» bezeichnet. Ein Opfer, «das wir offensichtlich auch weiterhin erbringen müssen».
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Der Nationalfeiertag 2020 habe einen bittersüssen Beigeschmack. Einerseits herrsche eine gewisse Erleichterung über das allmähliche Vorbeiziehen der massiven Phase, gleichzeitig aber auch Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Krankheit und deren Auswirkungen auf den Wohlstand, sagte Parmelin gemäss Redetext. Der Magistrat erinnerte an die bisher rund 1700 Todesopfer der Krise und forderte die Anwesenden zu einem kurzen Gedenken auf.

Während des Lockdowns seien viele verunsichert gewesen und man sei angewiesen worden, sich zum Wohle aller gegenseitig zu misstrauen. Trotzdem gehe die Schweiz paradoxerweise gestärkt aus den Ereignissen hervor, so Parmelin. Durch die Selbstdisziplin sei es gelungen, die Krankheit gemeinsam in Schach zu halten, indem alle einen kleinen Teil ihrer persönlichen Freiheit zugunsten des Gemeinwohls geopfert haben. Die grosse Mehrheit habe verstanden, was auf dem Spiel stehe. Dafür gebühre ihr ein «riesiges Dankeschön».

Leise Kritik an Vollkasko-Mentalität

Die letzten Wochen und Monate hätten gezeigt, «dass wir nicht alles kontrollieren können», sagte Parmelin weiter. Die Gesellschaft gebe sich gerne der Illusion hin, das Risiko lasse sich durch entsprechende Regeln völlig eliminieren. «Am liebsten würde sie Vorsichtsmassnahmen bis zum Gehtnichtmehr ergreifen.»

Kleine und grössere Unfälle seien indes jederzeit möglich, «ob wir dies nun wollen oder nicht». Der Staat sei nicht allmächtig und es gebe im Leben keine Garantien, so der Wirtschaftsminister. Weder übertriebene Vorsicht noch übertriebene Sorglosigkeit seien eine gute politische Strategie.

Vertrauen als «Gärstoff» für die Zukunft

Letztlich basiere alles auf Vertrauen. Und die Regierung versuche, dem in sie gesetzten Vertrauen gerecht zu werden. Dies sei eine Voraussetzung für ein stabiles Land, vertrauenswürdige Institutionen, eine wieder zuversichtliche und damit unternehmerische Wirtschaft sowie einen ausgeglichenen Konsum. In diesem Sinne sei das Vertrauen «einer der Gärstoffe und der Motoren für unsere Zukunft».

Vor seiner Reise ins Puschlav hatte Parmelin am Samstagmorgen in Chur an ein Brunch auf dem Bauernhof der Familie Salis teilgenommen. Begleitet wurde er von einer Delegation des Schweizer und Bündner Bauernverbandes. Cavaione ist ein Weiler oberhalb von Brusio und die letzte Region, die 1874 der Schweizerischen Eidgenossenschaft angegliedert worden war.

77-jährige Narrenfreiheit

Seine Präsenz sei der Beweis dafür, dass das «vergessene Dorf» vom Bundesrat nicht vergessen worden sei, so Parmelin zu Beginn seiner Ansprache. Er nahm damit Bezug auf einen Artikel von Riccardo Tognina aus dem Jahr 1963 im Bündner Kalender. Dieser beschrieb die späte Einschweizerung und trug den Titel «Das vergessene Dorf».

Nach der Aufhebung der Bündner Herrschaft über das Veltlin im Jahr 1797 begann für Cavaione gleichsam eine 77-jährige Narrenfreiheit. Je nach Vorteil gab man sich einmal als Italien oder der Schweiz zugehörig aus. 1874 nahm der Grosse Rat des Kantons Graubünden Cavaione die damals 103 Bewohner endgültig ins Schweizer Bürgerrecht auf.

veröffentlicht: 1. August 2020 19:05
aktualisiert: 1. August 2020 19:05
Quelle: sda

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