«Democratia» App-Test

Ein spielerischer Vorstoss scheitert an Ideenlosigkeit

· Online seit 30.08.2020, 20:23 Uhr
Avenir Suisse hat mit dem Entwicklerstudio «Blindflug Studios» die Schweizer Politik in ein virtuelles Brettspiel gepfercht und in eine App komprimiert. Bis zu fünf Spieler messen sich im neuen Game «Democratia – The Isle of Five». Wir haben die App getestet.

Quelle: PilatusToday

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Für einen Aussenstehenden wirkt das ganze Affentheater um den Tisch herum wohl wie eine Lektion Kokosnüsse knacken in der Orang-Utan-Schule Borneo. Wie alle wild auf dem Handy herumtippen, bis endlich eine schweizgeschneiderte Insel aufpoppt. Wir wählen unsere Clans aus, die alle auswechselbar sind wie Monopolyfiguren. Der Mensch ist fixiert auf Farben und fix flirten wir mit unserer favorisierten Farbe.

Spielanleitung? Wer braucht das schon

Passieren tut noch nichts, wie in der Politik halt üblich. Wer liest sich schon die Spielregeln durch? Gelesen werden eigentlich nur noch Droh- und Liebesbriefe sowie PilatusToday-Artikel. Erwischt! Zurück zum Spiel: Was lässt sich steuern? Sklavisch irren unsere Völker umher, man kann seine Leute antippen, um sie zu motivieren. Das ist aber in etwa so sinnvoll wie eine Hosentasche bei Babykleidern. Amüsanter ist die Rekrutierung von anderen Stämmen, dafür kann man gelegentlich fremde Arbeiter in das eigene Lager per Drag und Drop entführen. Das war's, End Credits.

Gähnen, Lächeln und Verwirrung

Ein Blick in die Runde, wie die ersten Reaktionen von den Gesichtern tropfen. Die ersten Kampfhymnen werden gedichtet: «Wie kann man eigentlich angreifen?» – andere glotzen und hämmern weiter auf den Bildschirm, stöhnen gelegentlich «hää?». Endlich die erste Abstimmung, «Soll die Insel CO2-neutral werden?», da boxen wir unsere eigenen Meinungen durch – wer von uns weiss schon, welchen politischen Clan man vertritt, Stichwort: Farben. Hat das etwas verändert am Spielgeschehen? Irgendwie nicht, irgendwie schon. Man kommt sich vor wie Schrödingers Katze – man weiss es nicht.

Spieltiefe fehlt

Später folgt ein Ereignis – Epidemie wegen Impfgegnern. Erschreckend aktuell, wenn man bedenkt, dass Avenir Suisse noch vor der Pandemie am Spiel getüftelt hat. Jahre verstreichen im Game, gefühlt auch im echten Leben und man kommt zum Schluss: «Democratia» ist in etwa so gehaltvoll wie ein Nutellaglas in der Hand eines Übergewichtigen.

Fazit: Politik noch nicht bei Gamern angekommen

«Democratia» lässt sich gut vergleichen mit einer Drachenfrucht. Von aussen hübsch und interessant, von innen fade und kurzweilig. Immerhin konnten wir lachen, wenn auch auf Kosten des Spiels. Vielleicht waren wir einfach die falsche Zielgruppe, da können (eine vage Theorie) sich Facebookmütter und Politikersöhne sich ein wenig mehr daran ergötzen.

Möchtest du die App selbst testen? Du kannst sie im Google Play Store oder App Store gratis herunterladen.

veröffentlicht: 30. August 2020 20:23
aktualisiert: 30. August 2020 20:23
Quelle: PilatusToday

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