«Parallelen zum 27. September sehe ich nicht» – Rudolf Hauri zum Hass gegenüber Behörden
Quelle: PilatusToday
«Ihr seid allesamt dumme Versager und verantwortlich für die Zerstörung der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Jugend. Wenn ihr nun auf dem Heimweg seid, passt nur auf. Eventuell überlebt ihr dies nicht.» Die Worte, die Rudolf Hauri vorliest, gehen durch Mark und Bein. Es sind Worte aus einem Drohbrief, welcher der Zuger Kantonsarzt als eines der prägenden Gesichter der Corona-Bekämpfung in den vergangenen Monaten erhalten hat. «In früheren Zeiten hätte man einem solchen Brief keine grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Nach dem Jahr 2001 betrachtet man das Ganze in einem anderen Licht. Man weiss, dass Drohungen auch umgesetzt werden.»
Der Herbst 2001 ging als «schwarzer Herbst» in die Geschichte ein. Die Terroranschläge in New York, der Todespfleger in der Innerschweiz, der Flugzeugabsturz in Bassersdorf und das Attentat von Zug. Bei allen Ereignissen war Rudolf Hauri als Rechtsmediziner im Einsatz (PilatusToday berichtete). Seine Aufgabe bestand darin, Beweismittel zu sammeln, die helfen, den Tatablauf nachzuvollziehen und verdächtige Personen zu überführen. Die Arbeit in Zug sei selbst für ihn eine spezielle Situation gewesen. «Ich war unterwegs nach Bern für eine Nachbesprechung des Einsatzes in New York. In diesem Moment kommt das Aufgebot für Zug. Von einem Einsatz in der Ferne wurde ich zu einem Einsatz in der eigenen Heimat gerufen.» Hauri erzählt sehr sachlich und klar, ohne dabei etwas zu beschönigen. «Die Arbeit wird nach objektiven Kriterien durchgeführt. Emotionen haben dabei keinen Platz.»
Der Attentäter von Zug handelte aus Hass auf die politischen Behörden (siehe Infobox unten). Aufgrund der Corona-Massnahmen gibt es derzeit wieder viel Unverständnis, Wut oder gar Hass gegenüber den politischen Behörden. Der oberste Schweizer Kantonsarzt kriegt diese Stimmung täglich zu spüren. «Gewisse Briefe sind Belehrungen, andere konkrete Drohungen. Manchmal sind sie auch ganz kurz: Nürnberger Prozesse 2.0», nennt Hauri als Beispiel. Die jetzige Situation sei jedoch nicht vergleichbar mit den Geschehnissen im Vorfeld des Attentats. «Eine Parallele zwischen der jetzigen Situation und dem 27. September sehe ich nicht.» Der Attentäter sei nachweislich eine spezielle Persönlichkeit gewesen. «Heute hat die Wut gegenüber den Behörden mehr einen allgemeinen Auslöser.»
Attentat hat Umgang mit Drohungen verändert
Bereits in seiner Zeit als Rechtsmediziner habe er gelegentlich Drohbriefe erhalten. «Erstellt man ein Gutachten, steht man immer zwischen zwei Parteien.» Auf der einen Seite die Staatsanwaltschaft und auf der anderen Seite die beschuldigte Partei. «Zieht man eine Schlussfolgerung aus dem rechtsmedizinischen Gutachten ist es oft der Fall, dass eine Partei damit nicht einverstanden ist.» Handle es sich dabei um die beschuldigte Person, könne es auch Drohungen geben. «Seit dem 27. September nehme ich solche Drohungen ernster», sagt Hauri. Dazu gehöre auch, dass man sich durch eine Fachstelle der Polizei beraten lässt.