Luzerner Historiker

«Der Druck muss hochgehalten werden»

08.06.2020, 20:13 Uhr
· Online seit 08.06.2020, 19:56 Uhr
Die Bilder im Fall von George Floyd sind um die Welt gegangen. Es folgten brennende Stadtteile und Massenproteste in den USA. Der Luzerner Historiker, Stefan Ragaz, hatte 1992 als US-Korrespondent in Los Angeles ähnliche Szenen erlebt. Schon damals war der Aufschrei nach einem gewalttätigen Polizeieinsatz gegen einen Schwarzen riesig.

Quelle: Tele 1

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Die Parallelen zwischen dem Fall von George Floyd und den Protesten 1992 sind gross. Für Historiker Stefan Ragaz ein Déjà-vu. Er ordnet die Geschehnisse ein und macht den Vergleich mit den Aufständen in Los Angeles.

George Floyd wurde vor den Augen der Welt getötet

Tagtäglich gibt es in den USA Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze. Warum es gerade jetzt derart heftige Massenproteste auf den Strassen gibt, erklärt sich Stefan Ragaz durch den Videobeweis: «Im Fall von George Floyd sehen wir via Video, was in echt passiert ist. Die Bilder des Mordes sind offensichtlich und unerträglich».

Ausserdem spiele die weltweite Verbreitung in den Sozialen Medien eine Rolle. Wenn die ganze Welt zusehen kann, wird auch der Druck auf die Politik grösser.

Parallelen zu Rodney King Aufständen (1992)

«Die Ausschreitungen sind die Sprache der Ungehörten». Das sagte bereits Martin Luther King. Bei der Verhaftung des Afro-Amerikaners Rodney King 1991 in Los Angeles prügelten vier Polizisten auf den am Boden liegenden Mann ein. Ein Jahr später wurden die Beamten dennoch freigesprochen. Daraufhin eskalierte es auf den Strassen von L.A. Bei Bürgerkriegs ähnlichen Massenprotesten und Krawallen kamen damals 63 Personen ums Leben.

Als US-Korrespondent war Stefan Ragaz bei diesen Unruhen live dabei. «Das Vertrauen in das Justizsystem wurde damals mit der Freisprechung der vier Polizisten missbraucht». Die Menschen gingen auf die Strasse, weil sie gehört werden wollten. Genauso, wie es auch Martin Luther King erklärt hatte.

Es braucht Tatenbeweise der Justiz

Die Rolle des Justizsystems ist es, Gerechtigkeit zu schaffen. Wenn die Bevölkerung das Gefühl bekommt, dass sie dem Justizsystem vertrauen kann, kehrt auch wieder Ruhe ein. Und dafür brauche es Druck: «Der Druck muss hochgehalten werden, sonst passiert politisch gar nichts.»

Der Rassismus wird in dieser gespaltenen Gesellschaft in den USA auch in Zukunft nicht verschwinden, ist sich Ragaz sicher. Denn: «Die Entwicklung des amerikanischen Polizeiwesens ist nicht so schnell wie Entwicklung der Bevölkerung».

Es sind die Originalworte des US-amerikanischen Fahneneid, welche jedes amerikanische Kind auswendig kennt. Und Stefan Ragaz Hoffnung, dass die Amerikaner ihr Treueschwur endlich in die Tat umsetzen: «Das Sein und Schein in Amerika zusammenzubringen. Das wäre für Amerika wünschenswert».

Das ganze Gespräch mit Stefan Ragaz gibt es im obigen Fokus-Beitrag von Tele 1.

veröffentlicht: 8. Juni 2020 19:56
aktualisiert: 8. Juni 2020 20:13
Quelle: PilatusToday

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