Kampf gegen Callcenter

Vier Youtuber versetzen indische Betrugsfirmen in Angst und Schrecken

10.05.2022, 16:00 Uhr
· Online seit 10.05.2022, 15:48 Uhr
Immer wieder fallen ahnungslose Internet-User auf Betrugsanrufe aus indischen Callcentern herein. Vier Youtuber wollten diesem Treiben ein Ende setzen. Sie stifteten Chaos und Verwirrung, einige Callcenter stellten den Betrieb ein. Eine Lösung des Problems sind die Streiche aber nicht.
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Die Masche ist simpel: Das Telefon klingelt, am anderen Ende meldet sich ein angeblicher Mitarbeiter von Microsoft, Amazon oder McAfee. Dieser behauptet dann, es gebe ein Problem mit einer Banküberweisung oder man müsse ein Sicherheitsleck auf dem PC beheben. Das Ziel der sogenannten Scammer: An die Kontodaten des Opfers zu gelangen, es zum Überweisen von Geld zu bewegen oder die Kontrolle über seinen Computer zu bekommen.

Hinter solchen Betrugsversuchen stehen grosse Callcenter mit teils mehr als tausend Mitarbeitenden. Vielen von ihnen operieren aus Indien. Die Opfer sind zu einem grossen Teil ältere, technisch wenig versierte Menschen in den USA oder anderen westlichen Ländern. Nach Informationen von Truecaller, einem Dienst zur Erkennung von Anrufern, haben solche Betrugsfirmen der amerikanischen Bevölkerung allein im Jahr 2021 fast 30 Milliarden US-Dollar abgenommen.

Vier Youtuber wollten dem Scammer-Treiben nicht länger tatenlos zusehen. In einer eineinhalb Jahre lang vorbereiteten Aktion haben sie vier der Callcenter infiltriert, mit Streichen heimgesucht und temporär lahmgelegt, wie der «Standard» berichtet.

Vier Youtuber gegen die Scammer

Das Quartett besteht aus dem Bastler Mark Rober, dem Anti-Scam-Duo Ashton Bingham und Art Kulik sowie dem Hacker Jim Browning. Zusammen nahmen sie gleich vier indische Callcenter ins Visier. Nach Aussen hin treten diese als seriöse Firmen auf. Ein Teil der Belegschaft leistet denn auch tatsächlich legale Callcenter-Arbeit. Er wird präsentiert, wenn Behördenvertreter an die Türe klopfen. Die Betrugsanrufe finden hinter verschlossenen Türen statt.

Zunächst rekrutierten die Youtuber private Ermittler, die sich von den Callcentern anstellen liessen. So sammelten sie Beweise und bereiteten eine Unterwanderung vor. Sie erfuhren etwa, welche Sicherheitsmassnahmen vor Ort gelten oder welche Gegenstände Mitarbeiter ins Büro bringen dürfen. So eine Einschleusung sei für die Beteiligten durchaus riskant, schreibt der Standard, da ihnen bei einer Enttarnung körperliche Angriffe drohen.

Streiche sorgen für Panik

Zur Krönung ihrer Operation reisten die Youtuber schliesslich selbst nach Indien und koordinierten die finalen Gegenmassnahmen. Sie deponierten beispielsweise eine mit penetranter Farbe versetzte Seife und eine Fake-Viagra-Packung mit dem Namen des Firmenchefs auf den Toiletten. Über eine präparierte Wasserflasche setzte man beissenden Gestank frei. Und ein kleiner Zerstäuber in einem Motorradhelm sorgte für Rauchschwaden. Zudem setzte man zahlreiche Kakerlaken und Ratten in den Callcentern aus.

Die Streiche lösten Panik unter den Betreibern der Callcenter aus. Sie unterbrachen ihren Betrieb in der Folge für mehrere Tage. Ihnen entgingen wohl Einnahmen in Millionenhöhe. Eines der Callcenter wurde mittlerweile von der Polizei auch durchsucht und stillgelegt. In den USA sind die Behörden zudem auf Basis der von den Youtubern gesammelten Beweise gegen die lokalen Hintermänner der Scams vorgegangen.

Die Polizei muss mitspielen

Drei der Callcenter in der westindischen Stadt Kalkutta sind jedoch inzwischen wieder in Betrieb. Zurückzuführen sei dies auf mangelnden Kooperationswillen bei der örtlichen Polizei, schreibt der Standard weiter. Mark Rober geht davon aus, dass die Führung der Sicherheitsbehörde am Callcenter-Betrug mitverdiene und die Betreiber daher decke.

Die Online-Aktivisten bieten den an einer ernsthaften Strafverfolgung interessierten Ermittlern deshalb nun ein Beweispaket an. Sie rufen ausserdem dazu auf, öffentlich Druck auszuüben, um Licht auf den Telefonbetrug und die vermutete Korruption in den Sicherheitsbehörden zu werfen.

(osc)

veröffentlicht: 10. Mai 2022 15:48
aktualisiert: 10. Mai 2022 16:00
Quelle: Today-Zentralredaktion

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