Q&A

Zwei Wochen Krieg: So steht es um die aktuelle Situation

09.03.2022, 16:52 Uhr
· Online seit 09.03.2022, 16:49 Uhr
Seit zwei Wochen ist Krieg in Europa. Russland griff am frühen Morgen des 24. Februar die Ukraine aus mehreren Richtungen an. Die USA und ihre Verbündeten antworteten mit harten Strafmassnahmen auf das Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Anzeige

Bislang gibt es wenig Hoffnung auf ein Ende des Krieges, der Hunderttausende in die Flucht treibt und Leid, Tod, Zerstörung bringt. Zwei Kriegswochen aus unterschiedlichen Perspektiven:

Wie weit will Russlands Präsident Putin gehen?

Befürchtet wird vom Westen, von der Ukraine und auch von vielen Menschen in Russland, dass der Kremlchef versuchen könnte, mit den Streitkräften das gesamte Nachbarland zu besetzen. Militärexperten sind sich einig, dass dafür Hunderttausende Soldaten nötig wären. Putin selbst sagt, es gehe ihm nicht um eine Besetzung. Nach Berichten über Verluste und Probleme bei der Invasion erklärte er, dass alles nach Plan und auch im vorgesehenen Zeitrahmen laufe.

Der Präsident bekräftigt immer wieder die Ziele der «militärischen Spezial-Operation», die in Russland nicht Krieg genannt werden darf. Demnach geht es ihm um eine «Entmilitarisierung» der Ukraine und um eine Säuberung der Führung in Kiew von «nationalistischen» und vermeintlich russlandfeindlichen Kräften. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, dass bisher rund 2500 ukrainische Militärobjekte zerstört worden seien. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte am Mittwoch erneut, dass die Ukraine für ein Ende des Kriegs die Regionen Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten sowie die Zugehörigkeit der Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu Russland anerkennen müsse. Verpflichten müsse sich die Ukraine auch, auf eine Nato-Mitgliedschaft zu verzichten. Moskau betont immer wieder, sich trotz des wachsenden Drucks der Sanktionen nicht vom Kurs abbringen zu lassen.

Wo steht der ukrainische Präsident?

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich mit Einsatz und Beharrlichkeit neuen Respekt in der Ukraine, auch bei einstigen Gegnern, erworben. Aktuell ist der frühere Schauspieler, der viele Jahre einen Präsidenten in einer Comedy-Serie spielte, der unumstrittene Anführer des Landes. Der 44-Jährige selbst entwirft in seinen täglichen Botschaften bereits Wiederaufbaupläne angesichts der Zerstörungen. «Es wird einen neuen Marshallplan für die Ukraine geben», versichert der Staatschef. Milliarden sollen – wie nach dem Zweiten Weltkrieg für Westeuropa – auch in die Ukraine fliessen. «Wir haben standgehalten und wir wissen, wie wir unser Land wieder aufbauen werden», lautet seine Botschaft. Eine Kapitulation lehnt er kategorisch ab.

Was haben die USA als Anführer der westlichen Welt erreicht?

US-Präsident Joe Biden und seine Regierung warnten über Wochen in zunehmend dramatischer Tonlage und erstaunlicher Detailgenauigkeit vor der Invasion. Sie legten in ungewöhnlicher Weise Informationen der Geheimdienste offen – und lagen am Ende erschreckend richtig. Nach dem aussenpolitischen Debakel beim Afghanistan-Abzug, das das Ansehen Bidens und der USA angekratzt hat, ist die Krise mit Russland nun eine Möglichkeit für ihn, Stärke zu zeigen.

Der Demokrat bietet Putin die Stirn, ohne sich in eine Spirale rhetorischer Eskalation zu begeben. Auf die unverhohlenen Nuklear-Drohungen des Kremlchefs reagiert Biden betont ruhig, und er lässt sein Team Tag um Tag betonen, die USA wollten sich nicht in direkte Kampfhandlungen mit Russland verwickeln lassen. Einen Weltkrieg will Biden mit aller Kraft vermeiden. Er setzt auf Sanktionen, Strafen und eine maximale Isolation Russlands auf der Welt.

Kann Europa als Ganzes das Sanktionsregime langfristig durchhalten?

Wohl noch nie zuvor in ihrer Geschichte hat die Europäische Union so schnell und entschlossen scharfe Sanktionen verhängt. Das sei historisch, lobte US-Aussenminister Antony Blinken jüngst den oft als zaudernd charakterisierten Partner. Offen ist, ob die EU den Kurs durchhalten kann.

Sollten die russischen Angriffe auf ukrainische Städte noch grausamer und zerstörerischer werden, wird der Druck auf die EU steigen, bislang nicht genutzte Sanktionsoptionen zu nutzen. Dazu gehört ein Importverbot für russisches Öl und Gas. Dieser Schritt würde für Russland Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe bedeuten, könnte aber gleichzeitig explodierende Energiepreise in der EU zur Folge haben.

Wie gross ist die Gefahr, dass die Nato in den Konflikt gezogen wird?

Für die Nato ist der Umgang mit Russlands Krieg ein Drahtseilakt. Auf der einen Seite will das stärkste Militärbündnis der Welt zeigen, dass es das Partnerland Ukraine nicht im Stich lässt. Auf der anderen Seite macht es deutlich, dass es nicht bereit ist, durch militärisches Einschreiten einen dritten Weltkrieg zu riskieren.

«Wir haben als Nato-Verbündete die Verantwortung, eine Eskalation dieses Krieges über die Ukraine hinaus zu verhindern, denn das wäre noch gefährlicher, verheerender und würde noch mehr menschliches Leid verursachen», sagte jüngst Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Ob das gelingt, ist offen, da etliche Nato-Staaten die ukrainischen Streitkräfte auf Basis von bilateralen Vereinbarungen mit Waffen unterstützen. Niemand könne genau vorhersagen, wie Putin reagieren werde, wenn ihm gesagt werde, dass Dutzende seiner Panzer in der Ukraine durch deutsche Panzerabwehrwaffen eliminiert würden, heisst es in Bündniskreisen. Das alles sei ein Ritt auf der Rasierklinge.

veröffentlicht: 9. März 2022 16:49
aktualisiert: 9. März 2022 16:52
Quelle: sda

Anzeige
Anzeige
redaktion@pilatustoday.ch