Schwere Vorwürfe

200 Franken Gewinn pro Flüchtling? Luzerner Asylbeiträge werden zum Gerichtsfall

01.02.2023, 19:17 Uhr
· Online seit 01.02.2023, 06:18 Uhr
Die Asylpraxis der Luzerner Kantonsregierung steht in der Kritik. Gemäss dem Grünen Kantonsparlamentarier Urban Frye erzielt der Kanton pro aufgenommenen Flüchtling einen Gewinn. Sozialdirektor Guido Graf relativiert.

Quelle: Tele 1

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Kantonsrat Urban Frye gegen Regierungsrat Guido Graf – es geht in die nächste Runde. Nachdem der Kantonsparlamentarier der Grünen dem Regierungsrat vor einigen Wochen bereits rassistische Aussagen vorgeworfen hatte, erhebt Frye nun erneut schwere Anschuldigungen gegen den Sozialdirektor.

Gespräch gesucht – ohne Erfolg

Konkret geht es um die Höhe der Asylsozialhilfebeiträge, die «so exorbitant tief sind, dass sie Bundesgesetz, Bundesverfassung und sogar die Menschenrechtskonvention verletzten», kritisiert Frye.

Doch der Reihe nach: «Weil die Verordnung bei der Asylsozialhilfe angepasst wurde, hat sich eine Frist aufgetan, um die gesamte Verordnung vom Gericht zu überprüfen», erklärt der Grüne Kantonsparlamentarier. Er hätte daraufhin das Gespräch mit der Regierung gesucht – inklusive dem zuständigen Regierungsrat Guido Graf.

Als die Asylsozialhilfe per Anfang 2023 nur um die Teuerung angepasst wurde, sei für Frye dann aber klar gewesen: «Es bleibt nichts anderes als der Rechtsweg übrig.» Deshalb haben 39 Geflüchtete beim Kantonsgericht einen Antrag zur Überprüfung der Asylsozialhilfe eingereicht. Vertreten werden sie durch Urban Frye.

11.50 Franken pro Tag

Demnach würden einheimische Sozialhilfebezüger pro Tag 33.90 Franken erhalten, Geflüchtete ohne Aufenthaltsbewilligung (Schutzstatus S) jedoch nur 14.15 Franken (individuelle Unterkunft) respektive 11.50 Franken (kollektive Unterkunft). Die Beträge für Geflüchtete sind also 58 beziehungsweise 66 Prozent tiefer als für einheimische Sozialhilfebezüger.

Urban Frye hält fest, dass ein gewisser Unterschied vom Bund gewollt sei, um die Attraktivität der Schweiz hinsichtlich Migrations- und Flüchtlingsströme zu mindern. «Aber anhand der Debatten ist die Meinung 20 bis 30 Prozent tiefer – und nicht 60 Prozent, wie dies der Kanton Luzern macht. Das ist peinlich für einen Kanton, der auf solch vielen Hundert Millionen Franken Gewinn sitzt.»

200 Franken Gewinn pro Flüchtling im Monat?

Hinzu kommt, dass der Kanton Luzern vom Bund pro Flüchtling 550 Franken im Monat erhält. Werden die obengenannten 11.50 Franken mit 31 Tagen multipliziert, erhält man jedoch nur 357 Franken. «Der Kanton macht mit jedem geflüchteten Menschen, für die er Beiträge vom Bund erhält, einen Gewinn von rund 200 Franken, da er weniger Asylsozialhilfe auszahlt, als er vom Bund bekommt», schlussfolgert Frye.

Es sei schwer zu sagen, ob der Kanton dies böswillig tue. «Wenn ich aber die vergangenen Äusserungen von Guido Graf in den Medien betrachte, dass nur die reichen Flüchtlinge hierherkommen, dann muss ich davon ausgehen, dass er meint, die Flüchtlinge hätten es gar nicht nötig.»

Ziel des eingangs erwähnten Antrags beim Kantonsgericht ist laut Frye, «dass die Kantonsregierung gezwungen wird, Asylsozialhilfe auf ein erträgliches Mass zu erhöhen.» Denn: «Mit 11.50 Franken kann ein Flüchtling nicht überleben, die Leute sind verzweifelt.»

Guido Graf relativiert und arbeitet an Verbesserungen

PilatusToday und Tele 1 haben Guido Graf mit den Vorwürfen konfrontiert. Dieser sagt: «Ich habe die Anfrage zu Kenntnis genommen.» Und fügt an: «Der Teuerung sind wir gemäss der Sozialdirektorenkonferenz nachgegangen. Auf der anderen Seite sind wir dabei, die Ansätze zu überarbeiten. Das braucht halt seine Zeit.»

Auf den Vorwurf, der Kanton mache Gewinn mit den Geflüchteten, antwortet Graf wie folgt: «Gewinn haben wir nicht gemacht. Man muss das Gesamte anschauen, nicht nur das tägliche Leben.» Beispielsweise hätte die Bereitstellung der Flüchtlingsunterkünfte massiv personelle und finanzielle Ressourcen gebraucht.

Ihm sei bewusst, dass die gesprochenen Beträge tief seien. «Das ist unserer Motivation, es zu überarbeiten», erklärt er. «Wir arbeiten nach dem besten Wissen und Gewissen und versuchen das Beste. Es geht hier um Menschen. Was wir können, das machen wir.»

veröffentlicht: 1. Februar 2023 06:18
aktualisiert: 1. Februar 2023 19:17
Quelle: PilatusToday

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