Aggressive Hunde

«Biss steht immer am Ende der Aggressionsleiter»: Sind stets die Halter schuld?

06.06.2023, 12:03 Uhr
· Online seit 06.06.2023, 11:59 Uhr
Im Kanton Luzern werden immer mehr Hundebisse registriert. Schuld daran sind laut einer Tierverhaltensexpertin auch die Hundehalterinnen und -halter. Um das Problem in den Griff zu bekommen, fordert sie strengere Auflagen, um einen Hund besitzen zu können.
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Die Zahl der Hundebisse im Kanton Luzern hat im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2016 um über 20 Prozent zugenommen. Gleichzeitig ist die Zahl der neu angeschafften Hunde gegenüber 2016 nur um 12 Prozent gestiegen, berichtet die «Luzerner Zeitung».

Diesen Trend beobachtet auch Maria Meier von der Kleintierpraxis Pfötliteam in Altdorf. Die Tierärztin ist unter anderem auf Verhaltensmedizin spezialisiert und führt Verhaltensabklärungen für das Veterinäramt des Laboratoriums der Urkantone durch. Seit zwei bis drei Monaten erhält sie mehr Anfragen für Abklärungen bezüglich aggressiver Hunde. Allerdings betont sie, dass saisonale Schwankungen normal seien.

Dass mehr Hundebisse gemeldet werden, habe verschiedene Gründe, sagt Meier im Gespräch mit PilatusToday und Tele 1. Einen Einfluss habe auch die Berichterstattung: «Wenn ein Thema in den Medien mehr Aufmerksamkeit erhält, dann meldet man automatisch mehr.» Bei steigender Popularität eines Themas würde auch das Bewusstsein für die Meldepflicht steigen.

Schuld liegt beim Hundehalter respektive der Hundehalterin

Doch wer trägt die Schuld, wenn ein Hund zubeisst? Dies sei in jedem Fall die Hundehalterin und der Halter selbst, sagt die Tierärztin. Ein Biss sei nämlich nur möglich, wenn der Hund nicht korrekt gesichert wurde. Dabei würde es keine Rolle spielen, ob die gebissene Person eine Mitschuld trägt. Auch wenn eigentlich klar sein sollte, dass man keine fremden Hunde streicheln sollte.

«Der Hundehalter muss seinen Hund so führen und sichern und auch so erziehen und sozialisieren, dass er in unserer Gesellschaft zurechtkommt, auch wenn sich eine Person gegenüber dem Hund unangebracht oder komisch verhält.» Tatsächlich sei es so, dass die gebissene Person den Biss oft provoziert – sei dies bewusst oder unbewusst, was meistens der Fall ist.

Hund sollte immer als letztes Mittel zubeissen

Schlussendlich liegt das Beissen aber auch in der Natur des Tieres. «Der Hund reagiert wie ein Hund. Und da gehört beissen dazu.» Doch während der Umwandlung des wilden Hundes zum Haustier wurde geschaut, dass Hunde gegenüber Menschen wenig bis kein Aggressionsverhalten zeigen.

Die ganze «hündische» Kommunikation durch die Körpersprache des Hundes diene dazu, Konflikte friedlich zu lösen. Bevor ein Hund beisst, zeigt der Hund verschiedene Signale wie den Blick abwenden oder fixieren, steif werden, Knurren, Zähne zeigen oder Bellen. «Der Biss steht immer am Ende der Aggressionsleiter», so Tierärztin Maria Meier.

Dementsprechend liege es auch am Hundehalter oder der Hundehalterin, das eigene Tier zu kennen und zu wissen, wie es tickt. Wie schnell und gerne ein Hund auf Aggressionsverhalten zurückgreift, um einen Konflikt zu lösen, sei vor allem genetisch bedingt und erlernt. «Hat der Hund als Welpe gelernt, sich mit Aggressionsverhalten durchzusetzen, dann wird er diese Strategie ins spätere Leben mitnehmen.»

Auch Hunde, die gelernt haben, dass frühe Warnsignale nicht wahrgenommen werden, können direkt zubeissen, da das Knurren oder Bellen früher nichts genützt hatte. In extremen Ausnahmefällen kann der Hund aber auch psychisch krank sein und sich in seiner Art nicht «logisch» verhalten. Dann wird er unberechenbar und gefährlich. Im Normalfall gebe es aber Auslöser, sagt Meier.

«Hundeführerschein» als Lösung?

Der Grund für einen Hundebiss liegt also an verschiedenen Faktoren: gestresste und schlecht sozialisierte Hunde, aber auch unwissende Menschen. In Meiers Verhaltensabklärungen von potenziell gefährlichen Hunden sind gemäss ihren Aussagen auch viele Hunde von Züchtern und vermeintlich erfahrene Hundehalter dabei.

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Deswegen fordert die Urner Tierärztin einen «Hundeführerschein» vor und nach dem Hundekauf, der auf Bundesebene geregelt ist. «Wenn man vor dem Hundekauf eine Theorieprüfung ablegen müsste, dann würden sich die Leute vielleicht bewusster für einen Hund entscheiden und nicht online Welpenhändler unterstützen oder irgendwelche Strassenhunde kaufen, die hier nicht zurechtkommen können.»

veröffentlicht: 6. Juni 2023 11:59
aktualisiert: 6. Juni 2023 12:03
Quelle: PilatusToday

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