Innerschweizer Filmpreis

«Burning Memories»: Erinnerung an Vergewaltigung verbrennen

23.03.2021, 08:59 Uhr
· Online seit 05.03.2021, 18:54 Uhr
«Burning Memories» ist der persönlichste Film, den die mehrfach preisgekrönte Regisseurin Alice Schmid jemals gedreht hat. Sie verarbeitet dabei den sexuellen Missbrauch, welchen sie am eigenen Leib erfahren musste.
Sven Brun

Quelle: Pilatus Today

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Zum ersten Mal agiert Regisseurin Alice Schmid in ihrem filmischen Werk selbst vor der Kamera. Sie kehrt zurück in ihre Kindheit. Ihr ganzes Leben hat sie sich mit den Themen Kinder, Gewalt und Missbrauch beschäftigt. Sie hat darüber Bücher geschrieben und Filme gedreht, ohne sich bewusst zu sein, dass sie ihren eigenen sexuellen Missbrauch jahrelang verdrängt hatte.

In «Burning Memories» nimmt sie uns mit auf eine Reise durch die Wüste Südafrikas, wo sie den Fragen nachgeht: «Weshalb konnte mir als Mädchen so etwas geschehen, warum habe ich geschwiegen und die Vergewaltigung 50 Jahre komplett vergessen?»

Alice Schmid ist momentan in Venedig. Sie wurde von einer Stiftung eingeladen, die Künstlern eine Auszeit anbietet. «Ich wohne in einem riesigen Palast, es fühlt sich an wie in einer Turnhalle», erzählt sie lachend. In der italienischen Stadt am Wasser schreibt sie an ihrem zweiten Roman.

Per Zoom konnten wir Alice Schmid dennoch für ein Interview erreichen. Das Thema: Ihr bisher persönlichstes Projekt, den Film «Burning Memories». Die mehrfach preisgekrönte Regisseurin nimmt uns dabei mit auf eine Reise, die vor vielen Jahren mit einem tragischen Erlebnis begonnen hat. Als 16-jähriges Mädchen wurde Schmid von ihrem damaligen Schwimmlehrer vergewaltigt. Davon handelt der Film.

Auf die Frage, was ihr «Burning Memories» bedeutet, antwortet Schmid: «Dieser Film wurde mir immer wichtiger mit der Zeit.» Anfangs habe sie einen Film zum Thema Schweigen über Traumata geplant. Dass der Film zu einer persönlichen Dokumentation wurde, entstand erst in der Wüste Südafrikas.

Über 50 Jahre lang habe Alice Schmid ihre Vergewaltigung «totgeschwiegen» und in ihrem Kopf verdrängt. Die Geschichte zu erzählen, sei «wahnsinnig» schwer gewesen. «Es ist alles mit so viel Scham verbunden», erklärt die Regisseurin. Daher habe sie sich auch Anfangs lange dagegen gewehrt und gesagt: «Nein, über das mache ich keinen Film, das ist zu persönlich.»

Doch es kam anders: «Ich war mit meiner Kamerafrau Karin Slater unterwegs und sie hat zu mir gesagt: Alice, das ist deine Geschichte», erzählt sie. Und auch Schmid spürte während den Dreharbeiten immer mehr: «Ich muss mich diesem Thema stellen, sonst trage ich die Geschichte mit in den Tod.»

«Burning Memories» sei kein Täterfilm. «Ich wollte niemanden verletzten», sagt Schmid und fügt hinzu: «Ich glaube, dass ich einen Weg gefunden habe, das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen, ohne jemandem wehzutun.»

In der letzten Szene sieht man Alice Schmid lachend am Ozean. Die Aufnahmen entstanden am Tag vor dem Rückflug in die Schweiz. «Was ich da fühlte, war unbeschreiblich. Die ganze Last fiel weg. Ich sagte zu mir: Ja, ich hab’s geschafft!»

Ja, Alice Schmid hat es geschafft. Sie gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, sich selbst eine Meinung zu bilden und über dieses Thema zu reflektieren. Mit ihrem authentischen Film öffnet sie sicherlich auch vielen weiteren betroffenen Menschen eine Tür, sich eigenständig mit einem sexuellen Missbrauch auseinander zu setzen.

(Im Video, oberhalb des Textes, erzählt Alice Schmid über ihre Vergewaltigung)

veröffentlicht: 5. März 2021 18:54
aktualisiert: 23. März 2021 08:59
Quelle: PilatusToday

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