Kuppeln war gestern

Die Jungen wollen es bequem und fahren Automat

02.11.2022, 11:24 Uhr
· Online seit 21.10.2022, 17:17 Uhr
Bequemlichkeit und Politik werden dem Schalthebel zum Verhängnis. Vor allem die Jungen fahren vermehrt nur noch Autos mit Automatik. Ob die Spezies «handgeschalten» bald der Vergangenheit angehört und wie es versicherungstechnisch aussieht, erfährst du hier.
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«Mit einem Automaten zu fahren, ist halt bequemer», sagt ein Fahrlehrer aus Udligenswil, der nicht namentlich erwähnt werden möchte. Bequemlichkeit sei jedoch nur einer von vielen Faktoren, die zum Aussterben der Handschaltung führen. So sei die Fahrprüfung mit Automatikgetriebe auch viel stressfreier. «Das Schalten können die Fahrschüler auch im Nachhinein noch lernen», meint der Udligenswiler weiter.

Automatik vertreibt Kupplung?

«Ich habe nur noch Fahrschüler, die Automaten fahren wollen», erklärt der Fahrlehrer weiter. Von seinen 40 Fahrschülerinnen und Fahrschülern will keiner mehr den Schleifpunkt suchen. Ein Kollege jedoch, erzählt er weiter, habe fast nur Fahrschüler, die das Handwerk des Schaltens erlernen möchten. Mehrheitlich sei es aber schon so, dass der Trend Richtung Automatik zeigt. So hat der Fahrlehrer aus Udligenswil sofort gehandelt und einen Automaten gekauft. «Das lohnt sich finanziell mehr» meint er.

Bei anderen Fahrschulen ist die Situation nicht so eindeutig. So erzählt Stefan Walder, Fahrlehrer der Fahrschule Team Seetal, dass 80-90 Prozent der Fahrschülerinnen und Fahrschüler das Schalten zwar noch lernen möchten, danach aber meist mit dem Automaten die Prüfung antreten. Er selbst habe auch viele Fahrschüler, die einen handwerklichen Beruf ausüben. «Wenn sie handgeschalten lernen, dann können sie später auch mit dem Handwerker-Bus fahren». Daher sei die Nachfrage nach Handschaltung immer noch da.

Änderung seit 2019

Vor allem seit der Änderung der Führerausweisvorschriften 2019 (ASTRA) sei ein Wechsel auf Automatikgetriebe spürbar. Seither sinke der Ansporn weiter, die Fahrprüfung mit manuellem Schaltgetriebe zu absolvieren.

Zuspruch für das manuelle Schalten hingegen findet sich auf dem Occasionsmarkt. Die meisten Gebrauchtwagen sind nämlich mit einer Kupplung ausgerüstet. Wer das Kuppeln und Schalten richtig beherrschen will, der brauche durchschnittlich etwa zehn Fahrstunden mehr, so Stefan Walder.

Versicherungen schauen genau hin

Versicherungen schauen allerdings genau hin: Wer beispielsweise nie handgeschalten gelernt hat, nach der Fahrprüfung jedoch ein Fahrzeug mit manuellem Getriebe bedient, dem drohe bei einem möglichen Unfall ein «Nichtbeherrschen des Fahrzeuges». Dementsprechend werde die Versicherung weniger bzw. keine Anteile übernehmen, erklärt Stefan Walder.

Unfälle wegen Ablenkung 

Gemäss Jahresbericht vom Bundesamt für Strassen (Astra) kam es 2021 schweizweit wegen Unaufmerksamkeit und Ablenkung zu 9'154 Unfällen. Bei 3034 Unfällen kam es zu einem Personenschaden.(Korrektur: In der vorigen Version stand, dass es 2021 zu 3034 Todesopfern gekommen ist. Dabei haben wir uns auf die Aufschlüsselung des TCS gestützt. Diese ist allerdings falsch.)

Ausserdem zeigt eine Umfrage der Allianz Versicherung, dass 40 Prozent der Lenker und Lenkerinnen ihr Handy am Steuer benutzen. Eine erschreckende Zahl, vor allem wenn man beachtet, dass 76 Prozent der befragten Personen angegeben haben, sich durch die Technik abgelenkt zu fühlen.

Motoren ohne fossile Brennstoffe

Auch die Thematik des Klimawandels schiebt das manuelle Schalten in den Hintergrund. Da Hybride und Elektroautos die Zukunft verkörpern, will auch die Politik in deren Richtung gehen. So wurde vom Europäischen Parlament beschlossen, dass ab 2035 neuzugelassene Fahrzeuge keine Verbrennungsmotoren mehr haben dürfen. Da die Schweiz kein Mitglied der EU ist, gilt dieses Verbot für uns zwar nicht zwangsläufig, doch auch die Schweiz tendiert zur Abschaffung von fossilen Brennstoffen. So wollen die Grünen beispielsweise bis 2025 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verbieten. Spätestens dann wird die Spezies «handgeschalten» dann wohl endgültig ausgestorben sein.

(hni)

veröffentlicht: 21. Oktober 2022 17:17
aktualisiert: 2. November 2022 11:24
Quelle: PilatusToday

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