Ukraine-Krieg

Flüchtlinge stellen Zentralschweiz vor grosse Herausforderungen

· Online seit 30.03.2022, 17:43 Uhr
Seit rund einem Monat nimmt die Schweiz flüchtende Ukrainerinnen und Ukrainer auf. Auch in der Zentralschweiz kommen täglich neue hinzu. Es ist eine ungewohnte Situation, die gemeistert werden muss und je nach Kanton ist die Lage sehr angespannt.
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Auf Nachfrage bei den Zentralschweizer Kantone stellt sich heraus, dass jeder Kanton mit anderen Herausforderungen zu kämpfen hat. Erfreulich ist aber: Alle Kantone verspüren eine grosse Solidarität der Bevölkerung und sind dankbar für jede Hilfe. Bis Mittwoch wurden bereits über 1'276 ukrainische Flüchtlinge in der Zentralschweiz registriert.

Aktuell sieht der Stand der belegten und freien Betten in der Zentralschweiz wie folgt aus:

Flüchtlinge, welche privat untergebracht werden, fliessen nicht in die Grafik ein.

Luzerner Gastfamilien teils nicht mehr bereit zu beherbergen

Im Kanton Luzern habe man die Situation momentan im Griff, so die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen. Bewährt habe sich insbesondere der First-Contact-Point am Inseli. Dort werden die ankommenden registrierten Flüchtlinge empfangen und zu ihren Unterkünften gebracht. Trotzdem brauche man noch mehr Unterkünfte. «Ausserdem häufen sich die Fälle, bei denen sich Gastfamilien oder Privatpersonen melden, da sie nicht mehr dazu bereit sind, die von ihnen aufgenommenen Flüchtlinge weiterhin zu beherbergen», erklärt Silvia Bolliger, Leiterin der zuständigen Dienststelle. Umgekehrt melden sich auch vermehrt Schutzbedürftige, die sich in der privaten Unterbringung nicht mehr wohlfühlen. «Stattdessen möchten sie lieber einer kantonalen Unterkunft zugewiesen werden.»

Personelle und logistische Herausforderung in Nidwalden

Der Betrieb in den Erstaufnahmestellen in Nidwalden hat sich etwas eingependelt. Die Aufnahme funktioniert gut und die geflüchteten Ukrainer werden mit dem Notwendigsten versorgt. Trotzdem stellt die Aufnahme personell und logistisch noch immer eine Herausforderung dar, so Oliver Mattmann vom Kanton Nidwalden. Anfangs rechnete der Kanton mit ein bis zwei Flüchtlingen pro Tag, die in Nidwalden ankommen würden.

Inzwischen seien es jedoch etwa acht bis zwölf Flüchtlinge, teils sogar mehr. «Die eingesetzten Ressourcen des Kantons vor Ort stossen trotz Mithilfe von Zivilschutz, Zivildienst und Freiwilligen an ihre Grenzen», erklärt Mattmann. Dabei sei auch der psychologische Betreuungsaufwand der traumatisierten Personen nicht zu unterschätzen. «Aber auch alltägliche Sachen wie die Unterbringung von Haustieren verursachen einen organisatorischen Aufwand.»

Vom einen auf den anderen Moment seien sehr viel mehr Ressourcen gefragt gewesen. «Es ist sozusagen ein Wettlauf gegen die Zeit», so Mattmann. Die Zahl der Schutzbedürftigen habe ein Ausmass erreicht, von welchem bis vor kurzem nicht ausgegangen werden konnte. «Darauf konnte sich der Kanton nicht vorbereiten, selbst mit dem geplanten Kontingent an Unterkünften.»

Betreuung und Unterbringung schafft in Obwalden neue Stellen

Der Arbeitsaufwand sei auch im Kanton Obwalden sehr hoch, so Florian Ulrich vom Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons Obwalden. «Jedoch funktioniert die Zusammenarbeit mit den Geflüchteten, den beteiligten Stellen, Gemeinden und Privaten sehr gut.» Als Sofortmassnahme hat das Sicherheits- und Justizdepartement einen Sonderstab Ukraine gebildet. Dieses organisiert die Betreuung und Unterbringung der Schutzsuchenden. «Dafür wurden durch den Regierungsrat auch zusätzliche Stellen bewilligt», bestätigt Ulrich. Vereinzelt gäbe es Unterkunftswechsel nach der Zuweisung. Dies führe zu zusätzlichem Koordinationsaufwand.

Kanton Schwyz wegen Flüchtlingen am Anschlag

Schwyz beschreibt die Situation im Kanton als turbulent – doch man gebe sein Bestes, so Fiona Elze vom Asyl- und Flüchtlingswesen des Kantons Schwyz. Man sei ein kleinstrukturierter Kanton. Grosse Asylunterkünfte auf die Schnelle zu finden sei beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, so Elze. «Auch ist Wohnraum im ganzen Kantonsgebiet eher knapp, was die Weiterverteilung auf die Gemeinden auch nicht einfach macht.» Aktuell sind nämlich alle freien Plätze belegt. Auch komme es immer wieder zu Verschiebung der Flüchtlinge, nachdem sie bei einer Gastfamilie untergebracht wurden. Der Kanton Schwyz versichert aber, dass ab dem 7. April 200 neue zusätzliche Unterkünfte geschaffen werden.

Ein weiteres Problem seien die Parkplatzmöglichkeiten. «Viele Flüchtlinge sind mit dem Auto in die Schweiz gekommen. Die Ukraine ist nicht weit weg», so Fiona Elze. Man beschäftigt sich mit Fragen wie: Was machen wir mit all den Autos? Wo sollen diese parken?

60 neue Plätze in Uri

Der Kanton Uri lässt ausrichten, dass man im Gegensatz zu den anderen Zentralschweizer Kantone keine Probleme habe. Man sei einzig weiterhin auf der Suche nach weiteren Unterkünften für die ukrainischen Flüchtlinge. Dafür ist das Schweizerische Rote Kreuz zuständig. Neun Personen wurden privat untergebracht und der Rest wohne in Mietwohnungen. 60 Plätze wurden neu im Hotel Aurora in Andermatt geschaffen. Es ist vorgesehen, dass dort vorwiegend Familien untergebracht werden.

Bis 500 Personen kann Zug aufnehmen

Gut im Griff habe es auch der Kanton Zug. Auf Anfrage teilt der Kanton mit, dass man in der Lage sei, täglich 10 bis 15 Zuweisungen aufzufangen. Man hat ein Kontingent für bis zu 500 Personen. Voraussichtlich würde man dies Ende April erreichen. Danach brauche man grössere Unterkünfte, die zu erstellen sind. Man sei noch auf der Suche nach Personal für die Betreuung der Unterkünfte. Wie man Kinder in die Schule integriert, sei ebenfalls noch eine Baustelle. Auch was der Schulraum und die Lehrkräfte betrifft.

veröffentlicht: 30. März 2022 17:43
aktualisiert: 30. März 2022 17:43
Quelle: PilatusToday

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