Konfetti regnen auf die Strasse. Stimmengewirr vermischt sich mit den Klängen der Guuggenmusig und dem Grölen betrunkener Fasnächtler. Im unübersichtlichen Gedränge fallen anzügliche Sprüche und Hände landen auf fremden Körpern.
Wenn gefeiert wird, sind sexuelle Übergriffe keine Seltenheit. So auch an einem der grössten und längsten Events der Zentralschweiz: der Fasnacht. Deswegen wendet sich die Juso mit einem offenen Brief an den Stadtrat. «Die Fasnacht sollte für alle ein positives und sicheres Erlebnis sein. Leider kommt es besonders während dieser Zeit vermehrt zu sexueller Belästigung», schreibt sie.
Sexuelle Belästigung würde im Rahmen der Fasnacht noch immer normalisiert und toleriert, heisst es weiter. Ein Konzept von der Stadt Luzern zur Thematik gibt es dieses Jahr nicht, weswegen sie dazu auf Anfrage von PilatusToday und Radio Pilatus auch kein Statement abgibt. Statt eines Konzeptes gibt es nur ein Merkblatt der Präventionsabteilung der Luzerner Polizei.
Zoé Stehlin, Co-Präsidentin Juso Luzern, sagt dazu: «Das ist sicher nicht schlecht, aber man wird da halt nur als potenzielles Opfer angesprochen. Wir finden, man müsste auch ganz klar potenzielle Täterinnen und Täter ansprechen.»
Nicht nur ein Fasnachtsthema
Daraus sei schliesslich die Idee zum offenen Brief entstanden. Eine Anfrage beim Luzerner Fasnachtskomitee sei unbeantwortet geblieben, sagt Stehlin. Diese Aussage negiert Peti Federer, Mediensprecher des Luzerner Fasnachtskomitees: Sie seien nie um eine Stellungnahme gebeten worden.
Das Luzerner Fasnachtskomitee sieht sicherlich Handlungsbedarf, auch wenn es nicht nur ein Fasnachtsthema sei: «Wenn es um die Sicherheit der Leute geht, sind wir da und unterstützen das. Jeder Fall, den man verhindern kann, ist wichtig und richtig.»
Anders klingt es bei den Vereinigten Guuggenmusigen Luzern. Mediensprecher Daniel Buchecker sagt: «Der Vorteil an der Fasnacht ist, dass alle Guuggenmusigen wie eine grosse Familie sind. Alle geben aufeinander acht.» Sexuelle Belästigungen seien im Umfeld der Vereinigten nicht bekannt, weswegen sie auch keinen Grund für ein Präventionskonzept oder zusätzliche Massnahmen sähen.
Anlaufstellen für Opfer sexueller Belästigung
Ein Konzept gegen sexuelle Belästigung fehlt an der Fasnacht 2023 also. Etwas, das die Juso für nächstes Jahr ändern will. Ab Fasnacht 2024 soll es ein Konzept zur Prävention von sexueller Belästigung geben. «Es war uns aber trotzdem wichtig, jetzt schon etwas dazu zu machen. Nur alleine schon, dass man mehr über das Thema redet. Dass man bewusst darüber redet, wie oft es eben passiert und wie sehr das immer noch normalisiert ist», erklärt Zoé Stehlin.
Die Juso bittet im offenen Brief, an zentral gelegenen Orten – wie unter der Egg – Anlaufstellen für Opfer von sexueller Belästigung während der Fasnacht zu installieren. Eine weitere Idee sind mobile «Awareness-Teams», an die man sich als Opfer oder Beobachter einer Tat wenden könnte.
Grosse Dunkelziffer
Ob es an der Fasnacht aber zu mehr Vorfällen kommt als zu anderen Jahreszeiten, kann die Luzerner Polizei nicht festmachen. Dies, weil es sich bei sexueller Belästigung um ein Antragsdelikt handelt. Ein Opfer hat demnach drei Monate Zeit, den Täter oder die Täterin anzuzeigen. Eine Bilanz über einen gewissen Zeitraum zu ziehen ist also schwierig. Zudem gibt es bei Antragsdelikten eine grosse Dunkelziffer, weil die Opfer von Sexualdlikten die Strafanzeigen selber stellen müssen. «Dadurch ist die Hemmschwelle grösser», sagt Mediensprecher Urs Wigger.
Wer eine Anzeige stellen möchte, kann dies auf jedem Polizeiposten tun.