Bundesgericht verpflichtet Kanton Luzern zu mehr Lärmschutz
Im Jahr 2000 hat der Kanton Luzern bei der Luzernerstrasse in Kriens ein Lärmschutzprojekt umgesetzt. Dennoch werden die Lärmgrenzwerte dort überschritten, wie dem kantonalen Strassenlärmkataster zu entnehmen ist. Darum verlangte Anwohner Dominik Hertach eine Neubeurteilung des Projekts und zusätzliche Lärmschutzmassnahmen, wie die «Luzerner Zeitung» schreibt. Vor Kantonsgericht blitzte er noch ab, doch nun erhält er vom Bundesgericht recht, wie Hertach mitteilt.
Damit hebe das Bundesgericht erstmals ein rechtsgültig erlassenes Lärmschutzprojekt auf. «Das ist ein enorm wichtiger Entscheid, denn er verhindert, dass sich die Behörden weiter hinter ihrem Trickli der ‹Papiersanierungen› verstecken können», schreibt Hertach. Er ist auch Geschäftsführer der Luzerner Sektion des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) ist, hat das Gerichtsverfahren aber als Privatperson geführt. «Das Urteil gibt vielen anderen Lärmbetroffenen ein Mittel in die Hand, um sich unter bestimmten Voraussetzungen gegen die teilweise vor Jahrzehnten durchgeführten Pseudo-Lärmsanierungen zu wehren.»
Zahlreiche weitere Verfahren dürften folgen
Mit «Trickli» meint Hertach, dass der Strassenlärm nicht wie im Umweltschutzgesetz und der Lärmschutzverordnung gefordert mit Massnahmen an der Quelle zu reduziert worden sei, etwa mit der Einführung von Tempo 30 oder dem Einbau von lärmarmen Belägen. Die Behörden hätten argumentiert, dass aus politischen oder finanziellen Gründen keine solchen Lärmsenkungs-Massnahmen möglich seien und sich mittels «Erleichterungen» selbst von der Sanierungspflicht befreit. Damit galt die Strasse als «lärmrechtlich saniert» und der Kanton musste nichts mehr unternehmen.
Diese Praxis sei nicht nur in Kriens, sondern in vielen Orten in der ganzen Schweiz angewendet worden. Daher dürfte das Urteil nun weitreichende Folgen haben. Ein Blick auf den Luzerner Strassenlärmkataster zeigt, dass auf praktisch allen Kantonsstrassen im Siedlungsgebiet die Lärmgrenzwerte überschritten werden. «Mit dem Bundesgerichtsurteil zur Luzernerstrasse erhalten Anwohner die Möglichkeit, für alte Lärmschutzprojekte den Widerruf der gewährten Erleichterungen und nachträgliche Sanierungsmassnahmen einzufordern», schreibt Hertach. Es dürfte also schweizweit zu zahlreichen Verfahren kommen.
Für den VCS ist klar, dass der Kanton Luzern «jetzt umgehend mit der Nachsanierung der oft nur auf Papier erstsanierten Strassen beginnen» müsse. «Und zwar abgekoppelt von übrigen Strassenprojekten», heisst es in der Mitteilung.
Tempo 30 in Kriens gefordert
Für Kriens fordert Dominik Hertach nun als Sofortmassnahme Tempo 30 auf der Luzernerstrasse. Weiter müsse so schnell wie möglich ein lärmarmer Belag eingebaut werden, wie dies auf der Obernauerstrasse bereits geplant ist. Tempo 30 ist zwar politisch höchst umstritten. In Kriens führt eine mögliche Temporeduktionen immer wieder zu hitzigen Diskussionen im Einwohnerrat, auf kantonaler Ebene ist eine Initiative in Arbeit, die generell Tempo 50 innerorts auf Kantonsstrassen fordert. Rechtlich dürfte es diese aber nun ebenfalls schwer haben.
Für Kriens beruft sich Hertach unter anderem auf die Stellungnahme des Bundesamtes für Umwelt. Der Lärmschutz als Daueraufgabe könne demnach «mit einer formellen Erstsanierung, welche weitgehend auf der Erteilung von Erleichterungen basiert, nicht als erledigt betrachtet werden». Und: «Vor dem Hintergrund der jüngeren Erkenntnisse einerseits sowie der dazu ergangenen Rechtssprechungspräzisierung andererseits wäre aus unserer Sicht heute im Fall der Luzernerstrasse eine Geschwindigkeitsreduktion zwingend zu prüfen. Dasselbe gilt für den Einbau eines lärmarmen Belags.»
Für Kläger Dominik Hertach ist das Urteil eine Genugtuung, wie er schreibt: «Von Beginn an war unbestritten, dass die Lärmwerte über den gesetzlich zulässigen Grenzwerten liegen» und das den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern schade. Dass er als Privatperson trotzdem mehrere Jahre, viel Geld und noch mehr Energie aufwenden musste, um auf dem Gerichtsweg zu erwirken, dass der Kanton Luzern seine gesetzliche Pflicht zum Lärmschutz wahrnehme, sei für ihn unverständlich.
(red.)