Luzerner Löwendenkmal

Der bekannteste Löwe wird 200 Jahre alt: «Für Touristen ist er nicht mehr deutbar»

09.08.2021, 18:38 Uhr
· Online seit 07.08.2021, 15:51 Uhr
Am 10. August 1821 wurde das Löwendenkmal offiziell eröffnet. Schon damals wurde es kritisiert. Heute hat sich seine Bedeutung verändert. «Die wenigsten kennen die Geschichte dahinter», sagt Historiker Markus Furrer.

Quelle: Tele 1

Anzeige

Am 10. August vor 200 Jahren wurde das Löwendenkmal offiziell eröffnet. Gebaut wurde es als Kriegsdenkmal, das an die gefallenen Schweizer Söldner im Tuilerensturm erinnern sollte. «Im Laufe der Zeit hat es an politischem Gehalt verloren und sich zu einer Touristenattraktion entwickelt», sagt Markus Furrer, Professor an der Pädagogischen Hochschule Luzern.

Rund 1,4 Millionen Touristen besuchen das Löwendenkmal jährlich. Natürlich waren es in der Coronapandemie einige weniger. Aber die wenigsten Touristen wissen, weswegen das Denkmal gebaut wurde. Das zeigen die zahlreichen Kommentare bei der Google-Bewertung. Viele loben den wunderschönen und lebensechten Löwen. «Aber was ist die Geschichte dahinter?», ist in einigen Kommentaren zu lesen.

«Für Touristen ist das Denkmal schön länger nicht mehr historisch deutbar», weiss auch Markus Furrer, Professor an der PH Luzern. «Zu komplex wäre auch die Geschichte, die dahintersteckt und dazu kommt, dass die Frage um die Auseinandersetzung der Französischen Revolution heute die Politik nicht mehr spaltet und beschäftigt.»

Touristen würden den Löwen heute fotografieren und Selfies mit ihm machen, um damit zu zeigen, dass sie in Luzern waren. «Ähnlich ergeht es auch dem Eiffelturm, kein Mensch verbindet ihn heute primär mit Fortschritt, wofür er einmal stand.» Für Einheimische würde es gemäss Furrer nicht anders aussehen.

Bis zum Tod gekämpft

Die Idee, das Denkmal zu bauen, hatte Karl Pfyffer von Altishofen. Er war Offizier der Schweizer Garde, die unter anderem in Paris stationiert war. Dort wütete zu der Zeit die Französische Revolution. Der König Louis XVI sollte abgesetzt werden. Zwar hatte Frankreich zu diesem Zeitpunkt ein Parlament, aber die Königsfamilie hatte nach wie vor grossen Einfluss auf das politische Geschehen. Die Schweizer Garde war zum Schutz des französischen Königs aufgeboten worden.

Am 10. August 1792 erreichte die Revolution einen Wendepunkt: Die Revolutionäre stürmten die Tuilerien, in denen die Königsfamilie lebte. Die rund 900 Schweizer Söldner versuchten, sie zu beschützen. Sie wurden von den Revolutionären brutal niedergemetzelt. Wie viele Schweizer dabei umkamen, ist bis heute unklar. Verschiedene Quellen sprechen von 350 bis 700 Toten.

Einer der Bildhauer schwer verletzt

Rund 25 Jahre später wollte Karl Pfyffer von Altishofen ein Denkmal errichten, das den mutigen Schweizern gedenkt. Er selbst war zwar nicht beim Tuilerensturm dabei, hatte aber viele Kameraden verloren. Als Standort schlug er eine Felswand vor, die unterhalb des Wesemlin lag. Er sammelte Geld, vor allem bei den ausländischen Königshäusern, um das Projekt zu finanzieren. Der russische Kaiser, der König von Preussen, die Französische Königsfamilie und Prinz Christian Frederik von Dänemark waren bekannte Geldgeber.

Entworfen wurde der Löwe vom bekannten dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen. Seine Arbeit war Pfyffer aber zu teuer, daher wurden beim Dänen nur die Gipsmodelle bestellt. Zwei kamen 1819 in Luzern an: Ein kleines mit einer Grotte und das eigentliche Modell des Löwen. Dieses war durch den langen Transport aber in Stücke gebrochen und musste zuerst wieder zusammengesetzt werden.

Ursprünglich sollte der Löwe aus Bronze gegossen und vor die Felswand gestellt werden. Doch aus künstlerischen und finanziellen Gründen wurde der Löwe schliesslich in Stein gemeisselt. Zuerst nahm sich der Solothurner Bildhauer Urs Pankraz Eggenschwiler der Aufgabe an. Er stürzte aber kurz nach Beginn der Arbeiten vom Gerüst und verletzte sich schwer. Lukas Ahorn aus Konstanz vollendete das Werk schliesslich. Am 10. August 1821 – genau 29 Jahre nach dem Tuilerensturm – wurde der Löwe feierlich für die Öffentlichkeit freigegeben.

Steht der Löwe fürs Konservative?

Doch nicht alle hiessen das gut. Es waren konservative Kreise in Luzern, die das Denkmal für die beim Sturm auf die Tuilerien getöteten Schweizer Söldner lancierten. «Republikanisch gesinnte und liberal denkende Volkskreise waren dagegen skeptisch. Sie sahen im Monument und in der Gedenkfeier eine Machtdemonstration des konservativen Patriziats», sagt Furrer.

Er führt aus: «Konservative verbanden sich im Verlaufe des 19. Jahrhunderts mit dem Verlangen, die Zeit vor der französischen Revolution wieder herzustellen. Es ging dabei nicht allein darum, dass die alten Patrizierfamilien wieder ihre Macht und Pfründen erhalten konnten. Vielmehr entwickelte sich daraus später eine Haltung, die gegen das Moderne, Liberale und auch Sozialistische gerichtet war.»

In der Schweiz drückte sich das im Sonderbundskrieg und im Kulturkampf aus. «Hier standen sich insbesondere bewahrende konservative Kräfte und auf Veränderung drängende Liberale und Freisinnige gegenüber. Im stark vom Kulturkampf geprägten Luzern war das Löwendenkmal politisch als konservatives Denkmal zuordbar.»

Früh kommerzialisiert

Die Bedeutung des Löwen musste den Touristen immer wieder erklärt werden. Schliesslich wurde sogar ein Veteran der Schweizer Garde angestellt, der den Leuten die Bedeutung näherbringen sollte. Doch es waren hauptsächlich Menschen, die sich für Kunst interessierten, die den Löwen besuchten. Schnell hatte das Denkmal internationale Berühmtheit erlangt. Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain machte in seinem halb-fiktiven Reisebericht «Bummel durch Europa» Halt in Luzern. Er bezeichnete den Löwen als «das traurigste und bewegendste Stück Stein der Welt».

Schon früh wurde der Löwe daher kommerziell beworben. 1822 wurde ein Pavillon aufgestellt, in dem das originale Gipsmodell ausgestellt wurde. Touristen konnten Schriften, Fotografien und Postkarten kaufen. Als Souvenirs gabs Briefbeschwerer, Schokolade und sogar Schmuck – alles in Form des bekannten Luzerner Löwen.

veröffentlicht: 7. August 2021 15:51
aktualisiert: 9. August 2021 18:38
Quelle: PilatusToday

Anzeige
Anzeige
redaktion@pilatustoday.ch