«Hair King» bleibt auch bei Rap-Stars und Millionären seinen Prinzipien treu
Macht man von der Sempacherstrasse aus eine Runde um den Block in Richtung Bundesplatz, begegnen einem ganze fünf Coiffeur-Salons. Die meisten davon sind sogenannte Barbershops. Reine Herrencoiffeure, die mit tiefen Preisen, gezupften Augenbrauen und Bartrasuren locken. Mit Erfolg. Die Leute stehen Schlange. Im Salon «Hair King» von Munir Maliqi scheint die Schlange an den Wochenenden am längsten.
28 Franken für einen Haarschnitt
Als ich am Montagmittag seinen Barbershop besuche, ist der Laden auffällig leer. Gerade ein Kunde lässt sich vom Chef persönlich die Haare schneiden. Dieser ist dafür Feuer und Flamme für seinen Stamm-Coiffeur. Seit sechs Jahren sei er schon Kunde bei «Hair King», sagt der adrette Mann mittleren Alters. Vorher liess er sich bei einer Coiffeur-Kette die Haare schneiden. Auch wenn er jetzt 28 Franken statt 45 zahle: Um den Preis gehe es ihm nicht, betont der Stammkunde. «Hier bekomme ich einen sauberen Haarschnitt ohne grosses Drumherum.» Seine Haare lässt er sich nur vom Chef schneiden. Dafür wartet er gerne auch mal etwas länger.
Rapper, Fussballer und Millionäre gehören zu den Kunden
Dabei lässt Munir Maliqi seine Kunden eigentlich nur ungern warten. «Ein Kunde fuhr an einem Samstag im Ferrari vor, betrat den proppenvollen Laden, sah sich kurz um und bot mir 800 Franken, wenn ich ihn sofort drannehme», erzählt Maliqi. Ob er das Angebot angenommen habe, frage ich ihn. Er verneint: «Ich hatte genug Kunden, die bereits auf mich warteten. Was hätten die von mir gedacht?»
Es sind nicht nur Preise und Klientel, die den Barbershop vom Coiffeursalon unterscheiden, sondern Anekdoten wie diese. Als US-Rapper Gashi in der Schweiz auftrat, wollte er sich vorher beim besten Barber des Landes frisieren lassen. Sein Agent rief bei Munir Maliqi an und bestellte ihn ins Hotel. «Als ich pünktlich zum Termin erschien, liess Gashi ausrichten, er hätte erst nach dem Abendessen Zeit für mich. Ich bin dann wieder gegangen. Ich hatte andere Kunden, die auf mich warteten.»
30 bis 40 Kunden pro Tag
Zeit für den Kunden. Das ist, was «Hair King» von der Barbershop-Konkurrenz abhebt. «Wir schneiden nicht ganz so schnell wie die anderen und arbeiten exakter. Das spricht sich herum», sagt Munir Maliqi. Der gebürtige Albaner kam vor sechs Jahren in die Schweiz und machte sich vor drei Jahren selbstständig.
Bei 28 Franken für einen Haarschnitt geht es aber nicht ganz ohne Geschwindigkeit. Zwischen dreissig und vierzig Kunden bedient jeder Mitarbeiter pro Tag. Bei einem 9-Stunden Tag ergibt das weniger als 15 Minuten pro Kunde. Wieso scheint es unter diesen Bedingungen immer mehr Barbershops zu geben?
Eine Frage, die nicht nur wir uns stellen. In der Bevölkerung und Politik kommt seit längerem der Verdacht auf Schwarzarbeit und Lohndumping auf. Letztes Jahr kündigte die Dienststelle Wirtschaft Soziales Arbeit (WAS) an, vermehrt Kontrollen bei den Coiffeuren durchzuführen. Franz Baumeler vom WAS erklärt, man habe letztes Jahr zwanzig Betriebe auf Schwarzarbeit kontrolliert. 2018 habe es gerade mal eine Kontrolle gegeben.
Kontrollen auch bei eingesessenen Coiffeuren
Auch alteingesessene Coiffeure blieben nicht vor Kontrollen verschont. Dies bestätigt Beat Fuchs von Fuchs Hairteam. Er betreibt fünf Coiffeur-Salons in der ganzen Zentralschweiz. Auch die Fuchs-Filiale in Sursee sei letztes Jahr kontrolliert worden. Eine Entwicklung, die der Geschäftsführer begrüsst. Grundsätzlich sei wichtig, dass die gesetzlichen Vorgaben, wie Mindestlöhne, eingehalten werden. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um Barbershops oder klassische Coiffeure handle, betont Beat Fuchs. Der Mindestlohn für einen frisch ausgelernten Coiffeur liegt derzeit bei 3'800 Franken im Monat. Hat Beat Fuchs Angst, dass ihn Billig-Anbieter mit Dumpinglöhnen unterbieten?
Der Geschäftsführer verneint. Billig-Anbieter seien vor allem auf Männerköpfe spezialisiert. Männer machen bei Fuchs gerade einmal 20 Prozent der Kundschaft aus.
Barber-Schulungen bei Fuchs Hairteam
Der Barber-Boom ist aber auch an Fuchs nicht spurlos vorbeigegangen. «Früher durften die Männerhaare nur so kurz sein, dass man die Kopfhaut darunter nicht sehen konnte. Heute sind die Haare an den Seiten deutlich kürzer. Ein Effekt der Barbershops», bemerkt Beat Fuchs. Auch die Nachfrage nach Rasuren sei deutlich gestiegen. Um diese Wünsche besser zu erfüllen, hat Beat Fuchs extra einen Barber aus Zürich engagiert, der die Mitarbeiter schulte. Beat Fuchs denkt nicht, dass der Markt für Herrencoiffeure weiterhin ungebremst wächst. «Wie bei den Hair Extensions handelt es sich um einen Markt, der sich zwar etabliert hat, aber nicht unbedingt wachsen wird», kommentiert Fuchs.
Löhne über dem Durchschnitt
Auch bei Munir Maliqi gab es im letzten Jahr zwei Kontrollen. «Einmal mussten sich sogar alle Kunden ausweisen», erklärt er. Von Lohndumping will er bei sich nichts wissen. Seine Coiffeure hätten grösstenteils kein Fähigkeitszeugnis. Aufgrund Provision kann ein Coiffeur bei ihm jedoch zu Spitzenzeiten deutlich über dem Durchschnitt verdienen, sagt Maliqi. Weil viele Kunden sich neben den Kopfhaaren auch den Bart richten lassen, lohne sich das Geschäft trotzdem. Schwarze Schafe gäbe es dennoch viele. «Einer meiner Mitarbeiter wechselte von einem anderen Barbershop in der Nähe zu mir. Als ich ihn nach der Pensionskasse fragte, wusste er gar nicht, was das ist», moniert Maliqi.
Mehr Zeit für den Kunden
Bei der Frage ob er auch Frauen die Haare schneiden würde, muss er kurz schmunzeln. Drei ältere Frauen aus dem Quartier seien seine einzigen Stammkundinnen. Ihnen schneide er zwar gerne die Haare, ansonsten sei die männliche Kundschaft aber am liebsten unter sich.
Auf die Frage was er sich für die Zukunft wünscht, wird der aufgestellte 30-Jährige kurz still. «Ich möchte am liebsten einen zweiten, exklusiven Barbershop eröffnen. Mit wenigen Mitarbeitern, höheren Preisen und edler Einrichtung.» Als ich meine Kartontasse Kaffee austrinke, beginnen seine Augen zu glänzen. «Dort trinken wir dann Kaffee aus echten Tassen», sagt Munir und lacht.